Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Chris, der direkt vor ihr ging, hatte sich entspannt und konnte schon wieder Witzchen machen. “Das Geräusch kenne ich doch, Julie – friss mich bitte nicht, es gibt gleich etwas!“
Julie lächelte etwas verlegen, aber die gedrückte Stimmung war verflogen. Munter schritt die kleine Truppe mit dem selbst in Daans Ledermantel und mit nackten Beinen hochmütig wirkenden Theoprast auf dem inzwischen breiter gewordenen Weg dahin. Unter angeregtem Getuschel dauerte es nicht lange, bis der Waldrand mit seinem Saum aus feuriger Abendsonne sichtbar wurde.
Anouk hatte die anderen Anwärterinnen und ihre Gefährten längst wieder zum Zeltplatz geführt und sich auf den Weg zur Burg gemacht. Das schwindende Licht betonte eine neue, harte Linie in ihrem Gesicht. Die Kaltblütigkeit, mit der Tonia und ihre Gefährten ihr Vorhaben durchgesetzt hatten, hatte Spuren hinterlassen.
Der nächste Morgen dämmerte, als sei nie etwas geschehen. Nach langen Befragungen durch den Rat hatten Julie und ihre Freunde endlich ins Bett gedurft. Tonia und Swantje mussten viel später zur Ruhe gekommen sein; ihr Verhör hatte noch angedauert, als sich Julie und ihre Gefährten bereits auf den Weg zum Zeltplatz gemacht hatten.
Es war seltsam, fand Julie, so in der Luft zu hängen. Der Rat hatte noch keine Entscheidung getroffen, diese würde erst am jetzigen Tag gefällt werden, hatte man ihnen mitgeteilt. Immer noch müde saß Julie vor dem Teetischchen in ihrem Zelt. Mathys und Daan kamen fast gleichzeitig aus ihren Kammern. Auch sie wirkten übernächtigt und sahen verstrubbelt aus.
„Guten Morgen, schon irgendetwas gehört?“ fragte Mathys. Julie zuckte die Achseln. „Leider nicht.“ Daan verzog mürrisch das Gesicht. „Schade, wäre ja schon gut wenn wir endlich Bescheid wüssten …“ In dem Moment trat Kim aus ihrer Kammer. Während sie in ihrer Tasche kramte, redete sie munter drauflos. „Guten Morgen, guten Morgen, da war ja was los gestern, ich habe das alles gar nicht so richtig mitbekommen … Wisst ihr, was genau passiert ist? Tonia und – wie heißt sie noch gleich? – ach ja, Swantje sollen ja irgendetwas richtig Schlimmes angestellt haben. Das wundert mich gar nicht! Tonia ist immer so verbissen, kein Funken Humor im Leib, das musste ja mal passieren.“ Kim schaute von der Tasche auf, in der sie immer noch kramte, holte kurz Luft – und erstarrte. Chris war von ihr unbemerkt in das Zelt getreten und hatte den ganzen Redeschwall mit angehört. Verlegen setzte Kim sich vor den Teetisch und füllte mit mechanischen Bewegungen eine Tasse mit duftendem Kamillentee. Chris hatte dunkle Ringe unter den Augen; die Beratung schien noch sehr lange gedauert zu haben. Dennoch war seine Stimme so warm und voll wie immer. „Ich bitte darum, so wenig wie möglich über das Vorgefallene zu tratschen; was wirklich passiert ist, werden wir euch jetzt sofort mitteilen. Kommt bitte zum Essplatz. Und mit dir, Julie, muss ich noch mal alleine reden …“
Chris ging in Julies Kammer. Folgsam ging Julie hinterher. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken; wie kam Chris bloß immer durch die Barriere? Und was wollte er ihr mitteilen? Dass sie bleiben durfte, hätte er ihr auch auf dem Essplatz mitteilen können. Also musste es wohl vorbei sein!
Sie warf Mathys über die Schulter einen hilflosen Blick zu. Er zuckte geknickt die Achseln. Wie sollte er ihr dabei helfen? Chris begann erst zu sprechen, als alle außer ihm und Julie das Zelt verlassen hatten. „Ich habe mit Theoprast gesprochen. Er sagt, er überlässt dir das Hornmehl gerne“, Chris machte eine kleine Pause, in der Julie versuchte den Sinn seiner Worte zu verstehen, „allerdings ist es nicht ganz so einfach, wie du es dir vorstellst. Der Trank aus den Haaren ist bekannt und wird häufig hergestellt, aber nur wenige haben schon einmal einen Trank aus Hornmehl gebraut. Du wirst eng mit Anouk zusammenarbeiten müssen, denn sie ist die Einzige, die sich gut genug damit auskennt. Da es jetzt dein Hornmehl ist, kann sie es aber auch nicht alleine verarbeiten, sonst wirkt der Trank nur schwach. Das wäre doch schade, schließlich kann er zehnmal so stark wie die anderen Tränke wirken. Das ist in der letzten Prüfung vielleicht ein entscheidender Vorteil. Bist du bereit, bei Anouk Extra-Unterricht zu nehmen?“
Julie brauchte eine Weile, um das Gesagte zu erfassen. Nur langsam sickerte die Erkenntnis durch, dass sie offensichtlich bleiben durfte. Kurz darauf war es
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