Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Leichtigkeit, mit der Theoprast sein Schicksal hinnahm. Wenn man sie in einen Hirsch verwandelt hätte, wäre sie zugleich richtig niedergeschlagen und enorm wütend gewesen. „Andererseits“, dachte Julie amüsiert, „war es offenbar genau diese Leichtigkeit, die den jungen Mann überhaupt erst in seine Lage gebracht hatte.“
Daan schaute Theoprast dankbar an. „Werter Theoprast, gestattet mir, mich zu bedanken. Es ist ein Verdienst Eurer Heilkunst, dass ich wohl und munter vor Euch stehe. Mein Leben war verwirkt; nur der Trank aus Eurem Haar hat das Schicksal aufgehalten und zu meiner Heilung geführt.“
Julie war ergriffen; sie spürte den Ernst in den Worten des Elfen, der sonst so schweigsam war und kaum je etwas über seine Gefühle preisgab. Dem munter umherblickenden Theoprast schien das Gewicht dieser Aussage jedoch gleichgültig zu sein. „Stets zu Euren Diensten“, sagte er beiläufig und streifte dabei, bereits halb abgewandt, einige Beeren vom Strauch. Daan guckte missmutig, zuckte dann aber ergeben die Schultern.
„Theoprast“, fing Julie an, „darf ich dich etwas fragen?“ Indem sie ihn, für sein mittelalterliches Empfinden recht vertraut, duzte, gewann Julie unbeabsichtigt die Aufmerksamkeit des ehemaligen Schreibers. „Immer gerne holde Maid, womit kann ich Euch zu Diensten sein?“ Julies Herz begann aufgeregt zu klopfen. Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit, an Haare für den Heiltrank zu kommen? „Hast du noch Haare aus deiner Zeit als Hirsch, die du mir geben kannst? Wenn ich keine habe, muss ich Tallyn heute noch verlassen.“
„Es tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen; da die Haare heilkräftig sind, gehen sie nicht einfach aus.“
Ein betrübtes „Oh“ war alles, was Julie hervorbrachte. Auch Mathys und Daan, die gespannt zugehört hatten, sackten in sich zusammen. Theoprast hatte unterdessen eine Pfütze entdeckt; seine Aufmerksamkeit war schon wieder nur auf sich gerichtet. Er betrachtete ausführlich sein Spiegelbild und sagte schließlich: “Ich sehe keinen Tag älter aus; es hat auch seine Vorzüge verwunschen zu sein.“
„Wohin geht Ihr jetzt, werter Theoprast?“, fragte Daan.
„Ich werde wohl …“, begann Theoprast, und stöhnte dann schmerzerfüllt auf, weil er versucht hatte das kaputte Bein zu belasten. Mit einem verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht sackte er zu Boden.
Da die drei Theoprast fast nur von vorne oder von der Seite gesehen hatten, hatte bislang keiner von ihnen bemerkt gehabt, dass das eine Bein hinten mit verkrustetem Blut verklebt war.
„Ach herrje!“, entfuhr es Julie. Sie machte sich Vorwürfe. Schließlich hatten sie gewusst, dass der Hirsch verletzt gewesen war, sie hätten Theoprast sofort helfen müssen. „Warte, ich helfe dir.“ Julie legte ihre beiden Hände auf das Bein. Die Verletzung war recht groß; beim Versuch, sie zu heilen, traten Julie erneut Schweißtropfen auf die hohe Stirn. Julie spürte zwar, wie sich die Wunde schloss, aber sie konnte auch fühlen, wie sie selbst immer schwächer wurde. Leichenblass um die edle Nasenspitze sah Theoprast Julie zu. „Danke“, sagte er kleinlaut, “ich kann nur andere heilen, aber nicht mich selbst.“ Julie war völlig erschöpft. Sie setzte sich zu Theoprast auf den Boden und fing an zu weinen.
Mathys hockte sich aufgeschreckt neben sie. „Was ist denn?“
„Was hast du?“, kam es zeitgleich von Daan.
Und mit einem „Wie ist Euch, holde Maid?“ war Theoprast, der sich ausnahmsweise einmal für jemand anderen als sich selbst interessierte, der dritte Ratlose im Bunde.
„Ich bin so unglücklich! Jetzt habe ich die Prüfung nicht bestanden und kann deshalb nicht bleiben. Ich muss doch beweisen, dass ich heilkräftiges Haar besorgen kann. Und in vier Wochen, wenn Theo“, sie zeigte auf den Jüngling, „wieder ein Hirsch ist und heilende Haare hat und alles, ist es zu spät!“ Ihr schmächtiger Körper wurde erneut von einem Schluchzen geschüttelt.
„Mit Verlaub, deute ich die Rede dieses Weibes richtig? Sollte ihr Begehr ein Heiltrank sein?“
„Ja, sie darf sonst nicht an der Auswahl zur Hüterin teilnehmen, es ist zu gefährlich“, entgegnete Mathys.
„Wieso habt ihr das nicht gesagt, ein Heiltrank ist schnell beschafft!“ Theoprast grinste.
Daan betrachtete Theoprast fasziniert. „Sind deine Haare auch heilkräftig, wenn du ein Mensch bist?“
„Nein, aber wenn ich mich verwandle, verliere ich mein Horn“, er ging zurück zur Stelle
Weitere Kostenlose Bücher