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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Übelkeit gebracht, sie ist aus Mutterkraut und Weihrauch. Trink sie, damit du dich besser fühlst“, sagte Anouk und reichte Julie eine kleine hölzerne Schüssel mit einem streng riechenden Sud. Julie verzog das Gesicht, als sie den dicken Rand der Schüssel an ihre Lippen hob und den Geruch voll einatmete. Trotzdem trank sie die Schüssel gehorsam leer, auch wenn ihr Magen rebellierte.
    „Weißt du, was passiert ist?“, erkundigte sich Julie anschließend, immer noch im Sitzen, denn verändern wollte sie ihre Position nicht, jeder neuen Bewegung würde sicher wieder Schmerz folgen.
    Anouk schüttelte vorsichtig das Kissen hinter Julies Rücken auf. „Du bist vom Vogt angegriffen worden“, sagte sie ernst, „es hat begonnen.“
    Julie wurde noch eine Spur blasser, obwohl ihr Gesicht zuvor schon die Farbe von hellem Pergament gehabt hatte. „Mathys hatte also recht“, flüsterte Julie.
    Anouk zog ihr sanft die Decke etwas höher. „Schlaf jetzt, hier bist du sicher, die Banne kann er nicht überwinden.“
    Die Medizin fing nun an zu wirken. Der Schmerz wurde etwas schwächer, gleichzeitig wurde Julie sehr schläfrig. Wenn sie im Unterricht alles richtig mitbekommen hatte, konnte Zweiteres weder am Mutterkraut noch am Weihrauch liegen. Aber woran lag es dann? Eigentlich war Julie das auch egal. Warm und wohlig schloss sich der Mantel des Schlafes über ihr.
    Das nächste, was Julie wahrnahm, war das Klappen der Tür. Sie schreckte hoch, nur um sich sofort an den Kopf zu fassen und sich ganz behutsam wieder in das Kissen sinken zu lassen. Vor ihrem Bett stand Chris. „Wie geht es dir?“, fragte das Ratsmitglied Julie.
    „Mein Kopf ist kaputt, mir ist übel und ich kann mich an die letzten Tage nicht mehr erinnern. Aber sonst geht es mir gut“, gab Julie zurück.
    „Ich glaube es ist an der Zeit, dass du mehr über die Geschichte Tallyns erfährst“, sagte Chris.
    Unterricht am Bett? Julie war nicht sicher, ob ihr armer Kopf dazu schon wieder in der Lage war. Doch schon im nächsten Moment war Julie hellwach und der Schmerz nicht mehr so wichtig, denn Chris begann mit abwesendem Blick zu erzählen. „Der Vogt“, sagte er, “war immer schon böse. Er streitet seit ich denken kann mit uns um die Stelle des Pendel-Hüters; zu einer Zeit ist es ihm gelungen sie zu erlangen. Indem er sich mit der damaligen Kirche verbündete, wuchs seine Kraft ins Unermessliche. Er gab der Kirche seine Macht und seine Seele, sein Leben ist seitdem so fest mit dem Kreuz verbunden, dass das Schicksal der Kirche auch das seine ist. Als Gegenleistung hat er die gesamte Macht der Kirche zur Verfügung. Vor der Zeit, die ihr das “finstere Mittelalter“ nennt, suchte der Vogt alle Anwärterinnen, er ließ jede junge Frau, die das Zeichen trug, jagen und töten. Er schickte den Flüchtenden ganze Horden von Gottesdienern hinterher, um ihrer habhaft zu werden, bis in die entlegensten Winkel der Welt. Um ganz sicher zu gehen, ließ er auch alle mit anderen Zeichen, alle Heilkundigen und alle Bewohner Tallyns, die in der Welt draußen waren, ermorden. Wegen einer Rothaarigen, die er zuerst nicht finden konnte, hat er fast alle rothaarigen Frauen ausgerottet. Er hat sie verbrannt, gefoltert, um neue Namen zu bekommen, und sie ertränkt. Der Ruf der Kirche nahm dabei den größten Schaden, es war für die Kirche keine kluge Allianz gewesen. Er bemächtigte sich des Pendels und herrschte eine schreckliche Periode lang als Hüter.“ Julies weit aufgerissene Augen zeigten ihr Entsetzen, doch sie sagte kein Wort. Chris sah sie immer noch nicht an. „Alle unsere Schutzbanne beziehen sich auf die Macht des Kreuzes; der Vogt hängt jedem seiner Anhänger eines um. Sie können es nicht mehr ablegen, bis sie sterben. Und sie haben keine Freunde, Geliebten oder Verwandten hier, die ihnen etwas bedeuten. Also können sie auch nicht nach Tallyn, du bist hier sicher.“ Chris seufzte tief durch. Julies Familie, ihr Vater, war nicht sicher. Und dass der Vogt vor nichts zurückschreckte, wusste Chris aus eigener Erfahrung: Obwohl Stu damals Wache gehalten hatte, hatte der Vogt Anna und ihre – und seine – Tochter getötet. Nur mit Mühe hielt Chris die Tränen zurück. Es hatte keinen Sinn, es ihr zu sagen. Sie würde doch nichts tun können. So, wie er Julie kannte, würde sie nur zu ihrem Vater laufen und sich auch noch in Gefahr bringen, und damit war nun wirklich niemandem gedient.
    Seit Chris verstummt war, schien die Luft in dem Raum

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