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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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von Julies Mutter noch zu verstärken. Es musste auf einem Spaziergang gemacht worden sein. Julie seufzte. Sie hatte nicht gemerkt, dass ihr Vater neben sie getreten war. „Ich vermisse sie auch; sie hat den Wald geliebt, genau wie du, als du klein warst“, sagte er leise.
    „Ich liebe den Wald auch heute noch“, gab Julie zurück, „deshalb bin ich ja so gerne in Tallyn. Wenn ich die Hüterin werde, musst du mich unbedingt einmal besuchen kommen, die Wälder dort sind toll, versprichst du das?“
    Ihr Vater gab Julie einen Kuss auf die Stirn. „Ja, sicher, ich verspreche es; und wenn du es nicht wirst, kommst du einfach hierher zurück, ja? Und jetzt komm frühstücken, mein Engel, wir wollen doch das bisschen Schnee ausnutzen, bevor es schmilzt.“
     
    Fröhlich zog Julies Vater seiner Tochter die Schirmmütze tiefer ins Gesicht. Das ausgiebige Frühstück hatte Julie gut getan, auch wenn sie erst nach dem dritten Versuch gemerkt hatte, dass sie die Teetasse aus der Kanne füllen musste.
    Julie hatte richtig Lust sich zu bewegen. Trotz des Unterrichtes war in Tallyn jeden Tag etwas los gewesen, es hatte immer etwas zu tun gegeben. Und untätig herumzusitzen war Julie sowieso von jeher schwer gefallen. Deshalb freute sie sich sehr auf den Spaziergang.
    Die alte Vertrautheit mit ihrem Vater hatte nicht unter der Trennung gelitten. Eingehakt gingen Vater und Tochter durch die spärlich mit Schnee bestäubte Landschaft zur Kirche. Heiligabend strömten alle Dornumer in den alten Bau, auch wenn die meisten von ihnen es den Rest des Jahres nicht taten.
     
    Schon von der ersten Sekunde an fühlte Julie sich an diesem Tag in der Kirche unwohl. Immerzu drehte sie sich in der Bank, sah zur Tür oder auf die Empore.
    „Was ist denn los?“, flüsterte ihr Vater. „Geht es dir nicht gut?“
    Julie nickte. „Ich muss mal an die frische Luft“, flüsterte sie zurück.
    „Soll ich mitkommen?“, fragte ihr Vater so leise es ging, denn der Pfarrer hielt gerade die Predigt.
    „Nein, ich komme schon zurecht, bleib!“, gab Julie zurück.
    Sie drängte sich an den anderen Leuten vorbei, die so dicht saßen, dass Julie ihre schneenassen Hosenbeine durch die festliche Strumpfhose spüren konnte. „Entschuldigung, kann ich mal durch, bitte?“, raunte Julie dabei. Missbilligend schoben die älteren Herrschaften ihre Beine in eine schräg gequetschte Stellung, um das unruhige junge Ding durchzulassen.
    Endlich war Julie an der frischen Luft. Sie meinte immer noch die Blicke in ihrem Nacken zu fühlen, die sie von der ersten Sekunde an in dem Gotteshaus verfolgt zu haben schienen. Fröstelnd schlug sie den Kragen der Jacke hoch und setzte die Schirmmütze wieder auf. Julies Vater hatte einmal erzählt, dass seine Frau nie in die Kirche gegangen war. Nun beschlich Julie zum ersten Mal eine leise Ahnung, warum. Die Stimmung in der Kirche gerade war echt unheimlich gewesen. Sie blickte sich um. War da ein Schatten? Zitternd vor Kälte wartete Julie auf das Ende des Gottesdienstes.
    Endlich sah sie ihren Vater aus dem schwarzen, wuchtigen Holzportal treten. Außer Mathys, den sie schrecklich vermisste, war ihr Vater der einzige Mensch, bei dem sie sich sicher fühlte. Das war zwar albern, denn inzwischen konnte Julie so gut kämpfen, dass sie eher ihren Vater beschützt hätte als andersherum, das Gefühl der Geborgenheit tat aber trotzdem gut.
    Auf der Hälfte des Rückweges hatte Julie den unheimlichen Vorfall vor der Kirche schon beinah wieder vergessen. Obwohl es erst später Vormittag war, hing der Himmel tief und schwer wie ein bleibehängtes Fischernetz über dem Städtchen. Glücklicherweise wurde der kalte Wind von den Häusern abgehalten, und die mit Lichterketten verzierten Fenster gaben der Straße schon jetzt etwas Warmes und Festliches.
    „Nur noch ein paar Stunden bis zur Bescherung, freust du dich?“, fragte Herr Denes aufgeregt. Er hatte diesmal schöne Geschenke kaufen können und nicht so sehr auf das Geld achten müssen. Seine Julie war immer so vernünftig gewesen; Herrn Denes traten die Tränen in die Augen. Auf was hatte das Kind nicht alles verzichten müssen!
    „Papa, was ist denn?“, fragte Julie. „Weinst du?“
    Herr Denes schnäuzte sich. „Nein, nein, ich habe nur Schnee ins Auge bekommen“, log er. Die Ausrede war gar nicht so schlecht gewesen, denn zu ihrer beider großen Freude hatte ein dichtes weihnachtlich-weißes Schneetreiben eingesetzt. Bis Vater und Tochter vor der Haustür ihre

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