Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
besser. Ihr Kopf schmerzte nur noch, wenn sie ihn schnell bewegte. Gleich würde sie Mathys wiedersehen, was sollte sie bloß sagen? Mathys hatte sie gewarnt, und Julie hatte ihn nicht ernst genommen. Würde er Julie die Schuld geben? Hätte sie besser aufpassen müssen?
Mathys schaute die Burgtreppe hinauf. Als er Julie dort so klein und zart in ihrem zu großen Pullover stehen sah, zog sich sein Herz zusammen. Nur wenige Schritte, und Daan und Mathys hatten leichtfüßig den Treppenabsatz erreicht. Eigentlich wollte jeder der beiden einen Arm unterfassen, um Julie zu stützen, doch Julie fing, als sie Mathys sah, an zu schluchzen. Daan trat einen Schritt zurück. Mathys zögerte nur kurz, dann nahm er Julie in den Arm und hielt sie vorsichtig fest; er würde sie halten bis ihre Tränen versiegt waren.
„Ich hatte Angst“, flüsterte Julie nur.
„Ich weiß“, er tätschelte etwas unbeholfen ihren Rücken, „ich auch.“
Chris beobachtete die beiden erstaunt. Daan fing den Blick auf und wurde gegen seine Gewohnheit unhöflich. „Auch schon gemerkt?!“, motzte er und machte sich alleine auf den Weg zurück in das Winterhaus. „Soll Mathys sie doch selbst zurückschleppen, wenn er sie so toll findet.“ Die Briefe brannten ihm fast ein Loch in das Leinenhemd; er würde hier bestimmt nicht vor Chris heulen. Er würde überhaupt nicht mehr heulen, denn ein Elf heulte nicht. Ob das so strikt auch für Halbelfen galt?
Auch Chris zog sich nun zurück. Offensichtlich war Julie bei Mathys in guten Händen.
Julies Leben in Tallyn nahm nun wieder seinen gewohnten Gang. Bereits zwei Wochen später kehrte der Sommer zurück in die mittelalterliche Stadt und mit ihm das rege Treiben auf den Straßen. Alle waren froh, dass es warm war und der Matsch von den Straßen verschwand, denn auf den nächtlichen Ausflügen zum Abtritt waren schon einige mit ihren glatten Holz- oder Ledersohlen ausgerutscht und in dem eiskalten Schlamm gelandet. Auch das Waschen war angenehmer, wenn die Luft nicht so kalt war, denn der magische Stein sorgte nur im Gemeinschaftsraum für wohlige Wärme. Fröhlich kletterten die Kleinkinder im lichten Unterholz herum und kamen fürchterlich verdreckt wieder heraus. Bis der Boden endgültig trocken war, würde es noch ein, zwei Wochen dauern. Deshalb war der Vorkampf für das große Turnier auch erst in drei Wochen. Für die meisten Kämpfe war ein trockener Boden nötig. Das Reitturnier und die Schwertkämpfe und auch das Tjosten, der Lanzenkampf der Männer zu Pferd, konnten bei Nässe nicht stattfinden.
Die Anwärterinnen und ihre Gefährten kamen in den nächsten Tagen kaum zum Luftholen. Von morgens bis abends übten sie die Techniken in den einzelnen Disziplinen. Jeder musste sich auf dem Turnier im Bogenschießen und im Freikampf messen. Auch der Schwertkampf und der parthische Schuss gehörten für alle zum Pflichtteil. Das Tjosten war den Mädchen freigestellt, aber für die Jungen unter den Gefährten obligatorisch. Wer sich als Mädchen dem Tjost stellte, konnte damit seine schwächste Disziplin ausgleichen. Es hatte sich nur ein Mädchen freiwillig gemeldet, eine große blonde Ostfriesin namens Elke. Da sie bisher nicht einen einzigen parthischen Schuss ins Ziel gebracht hatte, benötigte sie den Lanzenkampf, um den einen oder anderen Punkt zu erringen. Die anderen Mädchen fanden diese Art sich zu messen zu brutal; sie überließen das gerne den Jungen.
Schon bei den Übungskämpfen splitterten immer wieder Lanzen bis zur Hälfte auf, so heftig waren die Zusammenstöße. Für jeden Treffer gab es einen Punkt, brachte man den Gegner zum Absitzen gab es zwei Punkte. Bis vor kurzem war die Höchstzahl im Einzelkampf mit drei Punkten erreicht worden, indem man den Gegner beim Anprall getötet hatte. Anouk hatte die Regel nach der Geschichte mit der Hirschjagd und Theoprasts Verwundung gemeinsam mit dem Rat geändert. Zwar ging sie nicht davon aus, dass einer der Gefährten oder die Anwärterinnen so weit gehen würden, aber zu absoluter Gewissheit reichte es nicht mehr. So würde dieses Turnier nach den entschärften Regeln stattfinden; das Töten des Gegners brachte nun statt drei Pluspunkten drei Punkte Abzug. Tatsächlich gab es bei ein oder zwei Gestalten lange Gesichter, als sie die neuen Regeln dem Burgaushang entnommen hatten.
Julie las den Aushang mehrmals, das Erreichen des Endturniers um den Posten der Hüterin hing anscheinend von den Leistungen in diesem Vorentscheid
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