DS004 - Das Wrack im Eis
hatte. »Wozu dient er?«
»Ich werde es dir gleich vorführen.«
Doc deutete auf eine klebrige Masse auf dem Boden des Ganges vor der Bürotür. Diese Masse sah aus wie ein farbloser Sirup, so daß sie sich vom Boden des Ganges kaum abhob. »Siehst du das?«
»Sicher«, erwiderte Renny. »Allerdings nur, weil du mich darauf hingewiesen hast.«
»Ich hatte die Ahnung, daß es nicht schaden könnte, den Boden vor der Tür zu präparieren, als ich Monk mit Victor Vail hier zurückließ«, erklärte Doc.
»Um was handelt es sich?«
»Du wirst es gleich sehen. Zieh deine Schuhe aus.«
Verwundert schlüpfte Renny aus seinen Schuhen. Doc tat das gleiche.
Doc richtete die Sprühdose den Gang hinab, und ein schrilles Zischen erklang. Eine Wolke hellen Dampfes drang aus der Düse.
»Riechst du etwas?«
»Nicht das geringste«, erklärte Renny.
Doc richtete nun den Strahl auf die klebrige Masse.
»Riechst du jetzt etwas?«
»Himmel!« würgte Renny. »Ein ganzes Regiment von Skunks könnte nicht schlimmer stinken als …«
Doc zog Renny in den Lift. »Die Vereinigung des Dampfes aus diesem Gerät mit der klebrigen Masse erzeugt, auch wenn es sich um kleinste Mengen handelt, einen unerträglichen Gestank. Die hierbei verwendeten Chemikalien sind so stark, daß jeder, der einen Fuß auf die Masse vor der Tür setzt, eine Spur hinterläßt, die mehrere Stunden lang verfolgt werden kann.«
»Aber ich verstehe nicht …«
»Wir werden der Spur Victor Vails folgen«, erklärte Doc. »Drück die Daumen, daß er nicht auf die Idee kam, ein Taxi zu nehmen, sonst müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen.«
Aber Victor Vail hatte sich keines Taxis bedient. Er war – wahrscheinlich in Begleitung – zur nächsten U-Bahn-Station gegangen und hatte sie auf der Seite betreten, von der die Züge in den oberen Stadtteil fuhren.
»Wir sind aufgeschmissen«, murmelte Renny enttäuscht.
»Keine Idee«, erwiderte Doc. »Wir müssen nur auf jeder Station aussteigen und unser Sprühgerät in Betrieb nehmen, bis es uns wieder auf die Spur des Geigers führt.«
Ihre Versuche auf den ersten sieben Stationen blieben ohne Ergebnis. Auf der achten stieg ihnen mit dem fast farblosen Dampf der eklige Geruch in die Nasen. Die Spur führte in eine Nebenstraße. Zu dieser späten Stunde waren nur wenige Fußgänger unterwegs. Fünf Minuten später hielten die beiden Männer vor einer Tür. Ein blitzendes Schild verkündete, daß sich hier die Praxis eines Zahnarztes befand.
Doc und Renny zogen sich in den Schatten zurück. »Warte hier«, wies der Bronzemann seinen Freund an.
Renny wußte, daß es keinen Sinn hatte, zu widersprechen. Wenn unbekannte Gefahren drohten, ging Doc seinen Weg immer allein. Niemand verstand es so gut wie er, sich auf überraschende Situationen einzustellen, die anderen zur Todesfälle geworden wären.
Lautlos huschte Doc um den Ziegelbau, bis er die Hintertür erreichte. Sie war verschlossen und durch schwere Riegel gesichert. Doc schnellte sich in die Höhe. Er packte einen hervorstehenden Mauersims, zog sich daran empor und klomm geschmeidig weiter.
Vor dem Fenster eines im zweiten Stock gelegenen Ganges hielt er an. Der Gang war dunkel. Doc drückte eine gummiartige Masse gegen die Scheibe, dann erklang gedämpftes Splittern. Die gummiartige Masse verhinderte, daß die Glasscherben herabfielen und den Eindringling verrieten. Behutsam glitt der Bronzemann durch die entstandene Öffnung. Im Haus herrschte Stille. Lautlos durchstreifte Doc das Gebäude. Nur hinter einer Tür brannte licht. Der Raum lag im unteren Stockwerk. Die Tür war verschlossen.
Doc ließ Renny ins Haus. Sie gingen zu der verschlossenen Tür.
»Am besten mit Schwung hinein«, flüsterte Doc.
»O. K. Doc«, murmelte Renny. Er ballte seine riesige Faust und schlug zu. Holz splitterte, die Tür sprang auf und schwang nach innen.
Mit einem Satz waren sie in dem Raum. Renny hatte einen Revolver in der Faust. Docs mächtige bronzene Hände waren leer.
Entsetzen ließ sie mitten im Sprung erstarren. Nur zwei Personen befanden sich im Raum. Die eine war Victor Vail. Die andere mußte der Zahnarzt sein, denn er trug einen weißen Arztkittel. Beide Männer hatten Stricke um die Hälse und hingen an dem schweren Deckenlüster.
7.
Die Sonne war aufgegangen. Docs bemerkenswerte Freunde hatten es sich im Büro des Wolkenkratzers bequem gemacht. Keinem von ihnen sah man an, daß sie in der vergangenen Nacht kein Auge geschlossen
Weitere Kostenlose Bücher