DS011 - Doc in der Falle
führte durch eine armselige Wohngegend in die Richtung zum East River.
»Ich möchte wissen, warum sie nicht mit ihren Autos gefahren sind«, sagte Renny.
»Vielleicht hatten sie Angst, daß wir die Autonummern kennen«, meinte Johnny und fummelte wieder an seiner Brille.
»Oder sie haben das Mädchen in einen Wagen gesetzt«, gab der scheinbar kränkliche Long Tom zu bedenken, »und sind allein zu Fuß weitergegangen.«
Doc trat in einen Tabakladen, an dem sie vorüberkamen, um diese Frage zu klären. Der Verkäufer hatte eine Gruppe braunhäutiger Männer gesehen, sie hatten ein weißhaariges Mädchen bei sich, das ihm durch ihre Kleidung und durch ihre ungewöhnliche Schönheit aufgefallen war. Sie hatte sich nicht so benommen, als sei sie gefangen und werde mit Gewalt verschleppt.
Die Gegend wurde finsterer und einsamer. Der Gestank vom Fischmarkt vermischte sich mit dem Geruch, dem sie folgten. Es regnete immer noch, auf dem Fluß lastete Nebel wie eine Wolkenbank. Schiffssirenen und Nebelhörner waren zu hören.
Plötzlich hörte die Fährte auf.
»Heilige Kuh!« rief Renny. »Da haben wir die Bescherung.«
Sie standen vor der türlosen und fensterlosen Seitenmauer eines Lagerhauses. Doc, dessen Geruchssinn besser ausgeprägt war als der seiner Assistenten, suchte die nähere Umgebung ab und inspizierte den schmutzigen Bürgersteig.
»Sie sind an dieser Stelle in einen oder mehrere Wagen gestiegen«, erklärte er schließlich.
Bekümmert blieben sie stehen und sahen einander an. Sie waren ratlos, aber sie mochten sich mit der Niederlage noch nicht abfinden.
Ein schwerer Tourenwagen rollte langsam vorbei, außer dem Fahrer saß niemand darin. Der Fahrer entdeckte Doc und seine Männer und hielt abrupt an. Er fuhr rückwärts bis zu ihnen und lehnte sich aus dem Fenster.
Er war ein bulliger Mann mit großen Ohren, unterentwickeltem Kinn und auffallend hellen Augen.
»Guten Abend«, sagte er nervös. »Suchen ... suchen Sie jemand?«
»Ein paar braunhäutige Männer und ein weißhaariges Mädchen«, antwortete Doc.
»Das ist die Bande, die mich gezwungen hat, sie wegzufahren«, sagte der Mann.
6.
Renny rieb seine massigen Fäuste aneinander.
»So ein Zufall!« sagte er ohne Ironie.
»Man hat Sie gezwungen?« fragte Doc.
Der Fahrer nickte und verzog unbehaglich das Gesicht.
»Sie haben mir fünf Dollar gegeben. Ich hab’ mich gewundert, weshalb sie kein Taxi genommen hatten, deswegen bin ich umgekehrt, nachdem ich sie abgesetzt hatte, um mich hier ein bißchen umzusehen. Ich hab’ mir gedacht, sie müssen doch einen Grund gehabt haben ...«
»Können Sie uns zu dem Platz bringen, an dem Sie die Leute abgesetzt haben?« fragte Doc.
Der Mann zögerte, seine Unterlippe zitterte wie die eines Hasen. Er wirkte verängstigt.
»Ich weiß nicht recht ...« murmelte er.
»Wir können auch die Polizei hinzuziehen«, meinte Doc. »Falls Sie sich allein vor uns fürchten ...«
»Ich fürchte mich nicht«, sagte der Mann mißvergnügt. »Meinetwegen, steigen Sie ein.«
Doc und seine fünf Assistenten stiegen ein. Sie fuhren nach Süden, bogen dann nach Osten und gelangten in einen Stadtteil, der noch schäbiger als die Gegend am Hafen war. Hier lebten die Ausgepowerten, und es war nicht ungewöhnlich, daß zwei oder drei Familien sich einen einzigen Raum teilten.
Der Regen überzog das Fenster des Tourenwagens Mit einer Wasserschicht, sie wirkten wie vereist. Die Scheibenwischer funktionierten nicht, und der Fahrer mußte sich von Zeit zu Zeit hinausbeugen, um wenigstens die Tropfen vor seiner Nase zu entfernen.
Endlich brachte der bullige Mann mit Hand- und Fußbremse zugleich den Tourenwagen zum Stehen. Er deutete auf ein altes, schmuddeliges Backsteingebäude; es war engbrüstig und zwei Etagen hoch. Hinter den ungeputzten Fenstern brannte kein Licht.
Da sind sie reingegangen«, sagte der Fahrer.
Doc sprang aus dem Wagen und ging vorsichtig zum Haus. Er sah jetzt, daß hinter den Fenstern dichte Vorhänge zugezogen waren. Er kehrte zum Wagen zurück.
»War vorhin ein Schild an einem der Fenster, daß das Haus zu vermieten war?« fragte er.
»Ich hab’ kein Schild gesehen.« Der Fahrer zögerte wieder. »Aber vielleicht hab’ ich bloß nicht darauf geachtet.«
»Sind die Leute einfach ins Haus gegangen, so als ob sie einen Schlüssel hätten?«
»So sind sie ins Haus gegangen«, sagte der Fahrer.
Doc ging noch einmal zum Haus. Er ließ seine Taschenlampe aufflammen und
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