DS015 - Das Meer des Todes
selbstgebastelten behelfsmäßigen Sextanten und ihren Uhren das Besteck. Eine komplizierte Berechnung ergab, daß sie viele tausend Meilen von ihrem Bestimmungsort entfernt waren.
»Heiliges Kanonenrohr ...« flüsterte Renny fassungslos.
Die anderen sahen ihn betroffen an; es kam selten vor, daß Renny seine röhrende Stimme dämpfte.
»Aber wo sind wir?« fragte Ham, der mit seiner Rechnung nicht ganz zurechtkam.
»Ich bin noch nicht sicher«, sagte Renny, der außer Doc am meisten von Navigation verstand. »Aber ich weiß, daß wir so weit von New York entfernt sind, wie es überhaupt nur möglich ist!«
»Brüder«, sagte Doc und legte die provisorischen Instrumente weg, »das Schiff ist seit vollen sieben Tagen nicht mehr auf dem richtigen Kurs.«
Monk marschierte grimmig an der Reling auf und ab.
»Ich bin dafür, daß wir jetzt endlich etwas unternehmen und nicht nur reden«, sagte er. »Ein bißchen Aktion löst vielleicht eine Gegenaktion aus, und wir wissen, woran wir sind ...«
Doc nickte. »Unsere Entdeckung, daß wir buchstäblich ins Blaue gefahren sind, ändert alles. Kapitän Stanhope ist nicht länger befugt, das Schiff zu führen.«
Monk grinste. »Wollen wir’s ihm abnehmen?«
»Genau das!«
Sie gingen zur Brücke. Sie waren auf Widerstand vorbereitet, und der Widerstand blieb nicht aus. Der Raum hinter der Brücke war mit einer Persenning verkleidet, und Doc sah, wie die Persenning von hinten mit einem Messer auf geschlitzt und ein Gewehrlauf hindurchgeschoben wurde. Doc riß Monk die Schnellfeuerpistole aus der Hand und gab ein Dutzend Schüsse ab. Hinter der Persenning ertönte ein schriller Schrei, ein Mann tanzte wie ein Derwisch in Richtung Brücke und krallte die Finger seiner linken Hand in den durchsiebten rechten Arm. Er drehte sich einige Male um die eigene Achse und eilte in Deckung.
Die Passagiere fuhren aus ihren Deckstühlen auf oder quollen aus ihren Quartieren. Die Schüsse hatten sie aufgeschreckt. Sie stellten Fragen und lamentierten. Auf der Brücke erschienen zwei Männer mit Pistolen, Doc riß sie mit einem Feuerstoß von den Füßen, dann gab er Monk die Waffe zurück und lief zur Kabine des Kapitäns.
Die Tür wurde auf gerissen, ein Mensch mit hartem Gesicht und zwei Revolvern in den Fäusten baute sich vor Doc auf. Doc warf sich zu Boden, die Schüsse gingen über ihn hinweg, fetzten Splitter aus der hölzernen Wandverkleidung und zertrümmerten einige Glühbirnen. Doc riß dem Mann mit dem harten Gesicht die Beine weg und setzte ihn mit einem Handkantenschlag außer Gefecht.
Die Tür von Stanhopes Kabine war wieder geschlossen. Doc baute sich seitlich von ihr auf und hämmerte mit den Fäusten dagegen. Ein Kugelhagel von drinnen war die Antwort, und Doc beglückwünschte sich zu seiner Vorsicht. Hätte er direkt vor der Tür gestanden, wäre er umgemäht worden.
Auf den Decks war die Hölle los. Männer schrien durcheinander, Frauen kreischten, Kinder plärrten, als würden sie skalpiert. Von der Brücke feuerten Pistolen und Gewehre. Docs Gefährten pirschten sich behutsam näher.
Der Kugelhagel aus Stanhopes Kabine versiegte. Drinnen wurde Getöse laut. Jemand fluchte schrill, Möbel polterten zu Boden. Doc trat gegen die Tür, die in die Kabine zurückfiel, wobei das Schloß nutzlos am Rahmen hängenblieb.
In der Mitte der Kabine waren zwei Männer ineinander verkrallt, und Doc begriff plötzlich, daß der Skipper die ganze Zeit bedroht gewesen war. Man hatte ihn überfallen und in der Kabine gefangengehalten, und jetzt hatte er sich gegen seinen Wächter aufgelehnt. Er benutzte den Revolver als Schlagwerkzeug; offenbar war die Waffe ungeladen, und man hatte ihn gezwungen, damit Doc zu bedrohen, als der bei dem Skipper in der Kabine war.
Doc sprang vor, aber er kam zu spät. Der kleine Kapitän war seinem Widersacher nicht gewachsen, der eine Pistole in der Hand hielt, sich jäh losriß und auf Stanhope schoß.
Der Schuß dröhnte wie eine Explosion. Die Kugel drang dem Skipper ins Herz und weiter ins Rückgrat, Stanhope war sofort tot. Der Mörder wirbelte herum und zielte auf Doc, doch der war schon heran und rammte ihm seine Faust unters Kinn. Mit gebrochenem Unterkiefer drehte der Mörder sich um die eigene Achse und schrie gellend. Dann kippte er um, daß der Boden dröhnte.
Doc stürzte hinaus und eilte über einen Niedergang zum Ruderhaus. Zwei Männer mit Messern warfen sich ihm entgegen. Doc kugelte einem von ihnen den Arm aus und schlug
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