DS015 - Das Meer des Todes
Draht.
»Ausgezeichnet«, sagte die helle Stimme auf Spanisch. »Warst du so nah bei ihm, als er an Bord kam, daß du genau weißt, ob er allein war?«
»Er war allein. Ich hatte den Eindruck, daß die anderen ihn verfolgt haben.«
»Das kann ein Trick gewesen sein. Wir werden für den Rest der Nacht die Wachen verdoppeln.«
Doc entspannte die Muskeln. Hände glitten über seinen Körper.
»Er ist sehr groß«, sagte die Spanierin. »Bestimmt ist er auch sehr schwer.«
Mehrere Frauen packten ihn unter den Achselhöhlen und schleppten ihn ins Innere des Schiffs. Doc spürte einen dicken Teppich unter den Füßen, dann steckte jemand eine Benzinlampe an. Doc sah jetzt, daß er tatsächlich nur von Frauen umgeben war. Kein einziger Mann war in Sicht.
Die Frauen entstammten allen Altersgruppen, allen Rassen und offenbar vielen Nationen. Die meisten waren seltsam gekleidet, einige von ihnen waren hübsch oder sogar schön. Am auffallendsten war die Anführerin mit der hellen Stimme und den erstaunlichen Sprachkenntnissen.
Sie hatte lange tizianrote Haare und reichte Doc etwa bis an die Schultern. Ihre Augen waren dunkelblau und verträumt, ihre Nase war klein und schmal, ihre Lippen voll und geschwungen. Doc hatte selten eine so schöne Frau gesehen.
Sie trug eine Russenbluse aus Goldbrokat und einen Gürtel, der aus mehreren Reihen Goldmünzen bestand; am Gürtel hing ein juwelenbesetzter Dolch, der mindestens vierhundert Jahre alt war, außerdem hatte die Frau eine lange, moderne automatische Pistole. Sie hatte Stiefel an, die bis zur Mitte der Wade reichten, dazu trug sie seidene Bermudashorts.
Der Affe Nero schien ihr zu gehören. Er wich ihr nicht von der Seite und sah sie unentwegt mit intelligenten, wachen Augen an. Die Dame, folgerte Doc, war ganz entschieden eine ungewöhnliche Erscheinung.
Doc starrte die Frauen an, und die Frauen starrten ihn an. Die Frauen waren über ihren Gefangenen mindestens so überrascht wie er über sie, denn schließlich war auch Doc alles andere als eine alltägliche Erscheinung.
»Amerikaner?« vermutete die rothaarige Anführerin.
»In der Tat«, sagte Doc ohne das Gesicht zu verziehen.
»Was heißt, in der Tat?« fragte das Mädchen.
»Ja«, sagte Doc, »ich bin Amerikaner.«
»Ich empfehle Ihnen, sich nicht über mich lächerlich zu machen«, sagte das Mädchen finster.
»Das war auch nicht meine Absicht«, sagte Doc.
»Ich bin Kina la Forge«, sagte sie endlich.
»Ich heiße Clark Savage«, sagte Doc.
»Aha«, sagte sie uninteressiert. »Ich habe Ihren Namen noch nie gehört ...«
»Ich Ihren auch nicht«, sagte Doc.
Das Mädchen musterte ihn befremdet. Sie fingerte an dem verzierten Dolchgriff.
»Entweder lügen Sie, oder Sie sind noch nicht lange hier ...«
»Das letztere ist der Fall.«
»Warum hat der Sargasso-Oger Sie verfolgt?«
»Meinen Sie Bruze?«
»Das ist einer seiner Namen, wahrscheinlich der richtige. Wir nennen ihn nur Sargasso-Oger. Ein Oger ist ein Riese, ein menschenfressender Dämon.«
»Ich weiß«, sagte Co.
»Warum hat er Sie verfolgt?« fragte das Mädchen noch einmal.
Doc sah keinen Anlaß, die Wahrheit zu verschweigen; die Frauen auf diesem Kriegsschiff waren Bruze offensichtlich nicht wohlgesonnen. Sie hörten seinen Bericht ohne erkennbare Überraschung an; anscheinend hatten sie nichts anderes erwartet.
»Sie hatten Glück«, entschied Kina la Forge schließlich. »Die
Cameronic
hatte Glück. Im allgemeinen erobern und plündern Bruze und seine Männer die Schiffe, bevor sie im Sargassomeer sind.«
»Wie lange macht Bruze das schon?« wollte Doc wissen.
»Ungefähr sechs Jahre.«
Doc beschloß, ein Experiment zu versuchen.
»Warum nehmen Sie mir nicht die Fesseln ab?« fragte er.
Das Mädchen schüttelte die rote Mähne. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Ihre Geschichte kann wahr sein«, erklärte Kina la Forge, »sie hört sich jedenfalls wahr an, aber ich will nichts riskieren. Der Sargasso-Oger hat schon mehr als einmal versucht, Leute zu uns an Bord zu schmuggeln, die vorgaben, vor ihm auf der Flucht zu sein. Einmal hatte er sogar Erfolg ...«
Doc sagte nichts. Er sah das Mädchen ernst an. Sie biß auf ihre Unterlippe, ihre Hände zitterten.
»Einmal hätte er Erfolg«, wiederholte das Mädchen. »Das erklärt zugleich, weshalb Sie hier keine Männer sehen.«
»Er hat die Männer in eine Falle gelockt?« vermutete Doc.
Das Mädchen nickte.
Eine der Frauen brach in Tränen aus.
»Mein armer Mann«, sagte sie
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