DS015 - Das Meer des Todes
halberstickt. »Damals hat der Sargasso-Oger ihn umbringen lassen! Wenn er mich doch nur auch getötet hätte! Wir werden nie von diesem schrecklichen Ort wegkommen ...«
Drei Frauen liefen zu ihr hin und versuchten, sie zu trösten. Doc sah sich um. Er befand sich in einem großen Raum, der möglicherweise früher als Offiziersmesse gedient hatte und mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Dennoch schienen die Frauen sich nicht wohl zu fühlen, sie taten Doc leid. Plötzlich begriff er, daß sie Passagiere anderer Schiffe gewesen waren, die Bruze und seine Bande überfallen und geplündert hatten.
»Sind Sie alle ... Schiffbrüchige?« fragte er behutsam.
Das rothaarige Mädchen schüttelte den Kopf. Der Affe Nero schmiegte sich an sie; sie streichelte ihn abwesend.
»Ich bin hier geboren worden und habe mein ganzes Leben hier verbracht.« Sie deutete auf einige junge Frauen; etliche von ihnen waren noch halbe Kinder. »Sie sind auch hier geboren. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Wer einmal hier gelandet ist, den hält das Sargassomeer fest.«
»Aber Sie sind gebildet, Sie sprechen mehrere Sprachen ...«
»Auf den Schiffen, die zu uns getrieben worden sind, waren Bibliotheken, ich habe mich mit den Büchern befaßt, außerdem war mein Vater Professor an einer Londoner Universität. Er war Philosoph. Er war auf einem Schiff, das ein Sturm leckgeschlagen hat. Er ... ist ums Leben gekommen, als der Oger uns angegriffen hat, damals, als auch der Mann dieser Frau ums Leben kam. Meine Mutter ist schon lange tot, ich habe sie kaum gekannt.«
Doc schwieg. Er konnte sich nicht vorstellen, wie ein Mensch sein Leben in dieser Einöde verbringen konnte, und ganz und gar unvorstellbar war ihm, daß Generationen hier lebten, ohne je zu versuchen, die zivilisierte Welt zu erreichen.
»Erzählen Sie mir mehr«, bat er. »Informieren Sie mich vor allem über den Sargasso-Oger.«
Die rothaarige junge Frau setzte sich neben ihn, als wäre er kein Gefangener, sondern ein Gast.
»Es gibt Familien, die seit Generationen hier wohnen«, sagte sie, »niemand weiß genau, wie lange sie schon hier sind. Einige Männer in der Bande des Oger sind Nachkommen von Familien, die seit einem Jahrhundert und länger im Sargassomeer gelebt haben. Sie sind übrigens die übelsten und brutalsten Banditen, die der Oger unter seinem Kommando hat. Es ist, als ob das Leben in dieser Wildnis sämtliche menschlichen Regungen erstickt.«
»Man kann es verstehen«, sagte Doc nachdenklich. Das Mädchen sah ihn erstaunt an, offenbar war sie nicht ganz seiner Meinung. Der Affe Nero setzte sich nun ebenfalls zu Doc, er schien seine Schüchternheit überwunden zu haben. Neugierig befingerte er die Drahtschlingen, mit denen Doc gefesselt war; offenbar hielt er sie für ein interessantes Spielzeug.
Kina la Forge besah sich kritisch den Affen; dann rief sie ihn zu sich. Der Affe ignorierte sie. Das Mädchen zuckte mit den Schultern.
»Soviel ich weiß, haben schon immer Menschen im Sargassomeer gelebt«, sagte sie. »Aber sie waren keine Banditen. Sie hatten einen Staat und eine ordentliche Regierung, wie Sie sie in den Vereinigten Staaten haben. Das habe ich in Büchern gelesen. Eine Zeitlang war mein Vater Präsident.«
Sie stockte; die Erinnerung bereitete ihr Kummer.
»Dann kam Bruze«, sagte Doc behutsam.
Sie nickte. »Das war vor acht Jahren. Er war Alkoholschmuggler und hatte mit seinem Schiff einen Zusammenstoß mit einem amerikanischen Zollboot. Er mußte fliehen. Er fuhr nach Afrika und geriet dort vor der Küste in einen Sturm. Bei der Schießerei mit dem amerikanischen Zollboot war sein Hauptmast beschädigt worden, und bei dem Sturm ging der Mast über Bord und riß die übrigen mit. Das Schiff war nicht mehr zu manövrieren und wurde ins Sargassomeer getrieben.«
Sie stand auf und ging nervös auf und ab. Die übrigen Frauen hörten aufmerksam zu, obgleich sie die Geschichte bestimmt kannten.
»Bruze ist ein Teufel!« sagte das Mädchen heftig. »Er hat die kriminellen Elemente des Sargassomeers unter seiner Führung zusammengeschlossen, dann hat er die Macht an sich gerissen. Diejenigen, die gegen ihn waren, hat er umbringen wollen, und bei den meisten ist es ihm gelungen. Der Kampf hat länger als ein Jahr gedauert. Jede der beiden Gruppen hatte sich auf einem Schiff verschanzt; zu dieser Zeit residierte Bruze auf unserem Kriegsschiff.
Mein Vater hat es ihm im Handstreich weggenommen; seitdem ist es uns gelungen, es zu halten.
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