DS033 - Die Blutfalken
Hotel bedauerlicherweise nicht aufzuwarten. Jones war bereit, im Hotel zu wohnen, zugleich jedoch ärgerte er sich, daß der Bronzemensch in der Lage war, auch für ihn, Jones, den Samariter zu spielen. Hobo Jones fand die Welt wieder einmal sehr ungerecht. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er auf diese Weise wenigstens in der Nähe von Fiesta war und sie notfalls beschützen konnte. Vom Strohschober aus wäre es ihm nicht ganz leichtgefallen.
Am Morgen stand Fiesta früh auf. Sie erinnerte sich an ihr Versprechen, Fenter Bain zu besuchen, und zog sich hastig an, nachdem sie sich gewaschen, das Wasser aus dem Fenster geschüttet und sich angemalt hatte. Auf dem Weg zum Krankenhaus trat sie in einen Konfitürenladen und kaufte von ihrem letzten Geld Zuckerzeug, unter anderem eine Menge Dauerlutscher.
Fenter Bains Zimmer lag im Erdgeschoß. Der Arzt hatte keine Zeit, Fiesta zu begleiten. Er bereitete sich auf die Visite vor.
Fiesta fand das Zimmer. Sie klopfte an und trat ein. Das Fenster war offen, Fenter Bain lag im Bett und sah eher noch leidender aus als am Abend. Wieder wurde Fiesta von einem tiefen Mitleid übermannt.
»Guten Morgen, Mr. Bain«, sagte sie artig. »Wie fühlen Sie sich?«
»Ich bin glücklich«, versicherte Bain. Gierig wie ein kleiner Junge starrte er auf den Bonbonbeutel, den Fiesta mitgebracht hatte. »Was haben Sie da, meine Süße?«
»Die Bonbons, die Sie haben wollten.«
»Die anderen scheinen nicht mehr an mich zu denken, sonst wären sie auch gekommen ...«
»Es ist noch sehr früh«, erklärte Fiesta. »Ich hab noch nicht einmal gefrühstückt. Die anderen schlafen wahrscheinlich noch.«
»Sind Sie ganz allein?« Bain staunte.
»Ja.«
»Kommen Sie her, meine Süße«, sagte Bain. »Zeigen Sie, was Sie mir mitgebracht haben.«
Treuherzig trat sie näher, und er packte sie mit einer Hand am Hals und schnürte ihr die Luft ab, mit der anderen Hand hämmerte er ihr auf den Kopf, bis sie bewußtlos war.
»Verdammt!« sagte Fenter Bain. »Ich hab’s bis obenhin satt, immerzu glücklich zu sein!«
Die Tatsache, daß es noch vergleichsweise früh war und nur wenige Leute schon unterwegs waren, erleichterte Fenter Bain sein Vorhaben. Er nahm Fiesta auf die Schulter, kletterte aus dem Fenster und strebte überraschend schnell zu einem nahen Dickicht.
Trotz seiner dürftigen Gestalt erwies Bain sich als bemerkenswert rüstig. Er rannte eine volle Meile und blieb nur einmal stehen, um Fiesta erneut auf den Kopf zu hauen und sie so zu beruhigen, und langte am Ziel an, ohne außer Atem zu sein.
Das Ziel war eine Adobehütte. Vier Männer traten heraus, drei waren braun und hatten schwarze Zähne und einen Lendenschurz, der vierte war weiß, breit und riesengroß und hatte ein scharlachrotes Muttermal am Hals.
Die vier Männer besahen sich Fenter Bain.
»Da sind Sie ja«, sagte der Weiße. »Sie haben sogar die Robertson mitgebracht.«
»Ja.« Bain nickte. »Alles war ganz einfach. Ich hab gute Laune vorgetäuscht, bis Savage und seine Kumpane mich für verrückt gehalten haben. Sie haben mich ins Krankenhaus gesteckt, und dort hab ich mir das Mädchen gegriffen.«
»Warum?« fragte der Weiße.
»Ihr Bruder wird von Tag zu Tag schwieriger«, erläuterte Bain. »Er will nicht mehr mit uns Zusammenarbeiten. Wenn wir drohen, seine Schwester umzubringen, wird er seine Leistung gewiß wieder steigern.«
»Nicht übel«, meinte der Weiße. Er sprach ein ausgezeichnetes Englisch, aber nicht wie ein Engländer oder Amerikaner, sondern wie ein Ausländer. »Aber dann müßten wir das Mädchen nach Thailand mitnehmen.«
»So ist es«, sagte Bain.
»Aber ...«, sagte der Mann mit dem Muttermal.
Bain schnitt ihm das Wort ab. »Wir müssen sie mitnehmen.«
Der Mann mit dem Muttermal zuckte mit den Schultern und breitete ergeben die Arme aus. Er spie einen Strahl Betelsaft auf den Boden. Auch die drei braunen Männer kauten Betel. Davon hatten sie die schwarzen Zähne. Die Zähne des Weißen waren noch nicht schwarz, woraus zu schließen war, daß er noch nicht lange oder nicht häufig Betel kaute.
»Die Wege der Weißen sind oft rätselhaft«, sagte einer der Braunen. »Die Weißen sind wie weiße Rinder – man weiß nie vorher, ob sie ein schwarzes Kalb zur Welt bringen.«
»Ich finde den Vergleich höchst unpassend«, bemerkte der Mann mit dem Muttermal.
Bain ging auf beide Kommentare nicht ein. Er hämmerte mit der rechten Hand in die Handfläche und erinnerte sich
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