DS034 - Der flammende Dolch
Gesicht und ihre Arme. Er reichte ihr ein billiges Kattunkleid und ersuchte sie, sich umzuziehen. Sie retirierte in ihre Kabine. Doc zog eine abgetragene Leinenhose und ein verwaschenes Hemd an. Das Mädchen kam wieder herein und musterte ihn befremdet. In ihrer Aufmachung wirkte sie wie eine reizvolle, aber etwas billige Mulattin.
»Ist diese Maskerade wirklich nötig?« wollte sie wissen. »Eine Vorsichtsmaßnahme«, erläuterte er. »Beinahe fünf Tage ist absolut nichts geschehen, und das ist mehr als verdächtig.«
Er eilte mit dem Mädchen an Deck; niemand achtete auf sie. Die Mannschaft war damit beschäftigt, Obst und Gemüse von den Leichtern zu übernehmen und Kisten zu verstauen.
Rings um das Schiff schwärmten die Händler mit ihren Ruderbooten und kleinen Flößen; Doc winkte einen der Händler zu sich. Er palaverte mit ihm auf Spanisch, drückte ihm Geld in die Hand und winkte dem Mädchen, ihm in das primitive Dingi des Händlers zu folgen. Während der Händler an Land ruderte, betrachtete Doc die Gesichter der Passagiere und der Matrosen auf der
Rocket
. Die Passagiere waren in Trinidad an Bord gekommen.
»Ich habe den Eindruck, daß erstaunlich viele dieser Leute Hispaniolaner sind«, sagte er leise zu dem Mädchen. »Das gefällt mir nicht.«
»Ich bin ratlos.« Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Für mich sehen sie alle mehr oder weniger gleich aus.«
»Es ist nur ein Eindruck«, betonte Doc. »Ich kann mich gewiß irren, aber ich glaube es nicht.«
»Und?« sagte das Mädchen. »Wir können nichts dagegen unternehmen.«
»Trotzdem«, sagte Doc. »Wir müssen aufpassen. Dieses Schiff fährt nach Hispaniola, und Sie sind immerhin die Tochter des Präsidenten eines Landes, das sich mit Hispaniola im Krieg befindet.«
»Das wußten wir schon vorher«, wandte das Mädchen ein. »Der Einfall, dieses Schiff zu benutzen, stammt nicht von mir!«
»Nein.« Doc lächelte. »Er stammt von mir. Ich hatte keine andere Wahl; aber wenigstens habe ich dafür gesorgt, daß Ihr Inkognito gewahrt blieb.«
Der Händler setzte Doc und das Mädchen an Land ab. Auch hier wurden weder Doc noch das Mädchen beachtet, in ihrer zerlumpten Aufmachung unterschieden sie sich kaum von den Eingeborenen. Sie fanden ein riesiges klappriges Taxi und ließen sich zum Flugplatz befördern. Doc hatte dem Direktor des Flughafens von der
Rocket
aus ein Telegramm geschickt; dennoch war er verblüfft, als er von einem Empfangskomitee begrüßt wurde. Der Direktor war ein Amerikaner.
»Darauf war ich nicht vorbereitet«, sagte Doc mißvergnügt zu dem Direktor. »Ich hatte gehofft, daß Sie mein Telegramm mit mehr Diskretion behandeln.«
»Ihr Besuch ist für uns eine hohe Ehre«, sagte der Direktor salbungsvoll. »Ich weiß, daß Sie großzügig sind und uns diese Freude nicht verderben werden.«
Doc unterdrückte den Wunsch, dem Direktor die Freude doch noch zu verderben, zumal auch durch den energischsten Protest jetzt nichts mehr zu reparieren gewesen wäre. Er schüttelte Hände und gab Autogramme wie ein Filmstar; das Mädchen stand seitab. Niemand interessierte sich für die scheinbare Mulattin, die der berühmte Mann aus unerfindlichen Gründen – möglicherweise zu seinem Zeitvertreib – mitgebracht hatte.
Das Flugboot, das Doc chartern wollte, lag startbereit am Ufer. Doc inspizierte das Flugboot, ließ sich von dem Direktor noch zwei Fallschirme besorgen und klemmte sich hinter den Steuerknüppel. Sanda setzte sich auf den Platz des Kopiloten und studierte die Flugkarte, die der Direktor zur Verfügung gestellt hatte.
Sanda deutete auf einen Punkt der Karte.
»Hier«, sagte sie. »Was immer meinem Bruder zugestoßen sein mag – das ist die Stelle.«
Der Himmel war eine einzige bleifarbene hitzespeiende Fläche. Der Dschungel dehnte sich bis zum Horizont, der Fluß wand sich wie eine glitzernde Schlange. Doc drückte die Maschine tiefer.
»Ist das die Sandbank?« wollte er wissen.
Sanda spähte nach unten.
»Ja«, sagte sie. »Das Flugzeug ist noch da ...«
Doc hatte das Flugzeug bereits bemerkt. Es lag nach wie vor auf dem Rücken, die Sandbank, die Ufer und das Wasser dazwischen wirkten wie ausgestorben. Vorsichtig flog Doc eine Schleife und hielt scharfe Ausschau, aber nichts rührte sich. Behutsam setzte er die Maschine auf den Fluß, warf einen Anker aus, ließ die Maschine von der Strömung zur Sandbank treiben, kletterte auf die Tragfläche und sprang ab. Das Mädchen balancierte über die
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