DS041 - Der schreckliche Mullah
benahm er sich wie ein Politiker, der einem Rivalen schmeichelt, um dessen Wachsamkeit einzuschläfern. Mit einem Anflug von Heiterkeit begriff Doc, daß es im fernen Tanan anscheinend nicht viel anders zuging als in der sogenannten zivilisierten Welt.
»Wir waren sehr vorsichtig, damit unser Reiseziel geheim blieb«, sagte das Mädchen. »Die Vorsicht hat uns nichts genützt.«
Gibson zwinkerte ihr zu. Sein Gesicht drückte äußerste Skepsis aus.
»Ich verstehe, daß Sie Angst haben«, sagte er hinterhältig, »nicht um Ihr Vermögen, das könnten Sie vermutlich außer Landes bringen, falls Sie es nicht schon getan haben, sondern um die Milliarden, die Sie noch in Tanan verdienen könnten.«
Wieder musterte sie ihn eisig.
»Ich bin aus anderen Gründen an der Ergreifung des Mullah interessiert«, erklärte sie ruhig. »Mein Vater ist auch mit gebrochenem Genick gestorben, ohne daß eine natürliche Ursache zu erkennen war.«
Gibson wollte etwas erwidern, aber er überlegte es sich im letzten Augenblick anders. Er machte den Mund zu und starrte verlegen zu Boden.
Im Foyer des Clubhauses war es noch dämmriger geworden. Der Himmel hatte sich mit Wolken bezogen, vom Meer her schob sich wieder Nebel über den Hudson River, die Sonne war nicht mehr zu sehen.
Doc ging zu den gefesselten Tananesen, die ihm furchtlos entgegenblickten. Bei einem der Männer blieb er stehen.
»Wer ist der Mullah?« fragte er auf Tananesisch.
»Ein treuer Hund gehorcht nur seinem Herrn«, erwiderte der Tananese prompt.
»Aber ein kluger Hund sucht sich einen neuen Herrn, wenn der alte sich nicht mehr um ihn kümmern kann«, belehrte ihn Doc.
Der Tananese schloß die Augen. Er ließ sich auf die Diskussion nicht ein; mit Argumenten war ihm nicht beizukommen. Doc nahm sich einen der übrigen vor, den er für weniger willensstark und für weniger verblendet hielt. Er kniete sich zu ihm und sah ihm starr in die Augen.
»Sie verschwenden nur Zeit«, gab der Khan zu bedenken. »Diese Männer kommen von einem Stamm, der in den Bergen rings um Tanan lebt. Seine Angehörigen sind grausam und wild, und seit Jahrhunderten haben sie immer wieder revoltiert. Sie werden von ihnen keine Auskunft bekommen.«
»So schnell möchte ich nicht aufgeben«, meinte Doc. »Notfalls kann ich den Mann hypnotisieren oder mit einer Droge behandeln ...«
Aber er hatte keine Gelegenheit mehr, seine Absicht auszuführen. Gibson starrte plötzlich zur Tür und stieß einen Schrei aus.
»Vorsicht!« rief er und deutete mit dem Finger. »Hinter Ihnen!«
Doc wirbelte herum und blickte auf. Gespenstische grünliche Wesen schwebten auf ihn zu, sie waren fast durchsichtig und armlang. Einige waren dünn wie Stricke, andere so dick wie eine Faust. Die größten hatten einen Umfang wie eine ausgewachsene Eiche.
»Der Mullah!« kreischte das Mädchen. »Seine Sklavenseelen!«
Sie stürzte sich auf die Waffen, die den Tananesen gehört hatten und mit ihnen ins Haus getragen worden waren, griff nach einer langläufigen Pistole und schoß auf die grünen Schemen. Gibson zögerte, dann nahm er auch eine Pistole und ballerte drauflos.
Die schlangenartigen Gebilde ließen sich nicht beirren. Sie krochen, flogen, waberten zu den Gefangenen, die plötzlich ihre stoische Ruhe einbüßten und sich jammernd aufbäumten. Gibson und das Mädchen stellten das Feuer ein.
»Wir müssen hier ’raus!« rief Joan. »Gegen die Sklavenseelen ist mit Waffen nichts auszurichten!«
Sie zog sich hastig zur rückwärtigen Tür zurück, und der Khan folgte ihr. Gibson blieb stehen und beobachtete Doc, der sich auf gerichtet hatte und den Gebilden entgegenging. Er beugte sich vor und sah sie aufmerksam an.
»Nicht anfassen!« rief Gibson. »Wenn Sie die Dinger berühren, müssen Sie sterben!«
Doc antwortete nicht; seine Neugier war größer als sein Selbsterhaltungstrieb. Er hob eine Pistole vom Boden auf und schleuderte sie. Das Wurfgeschoß schnitt durch das Gebilde wie durch Luft. Doc warf eine zweite Pistole. Er ließ die Schemen nah an sich herankommen, denn er wollte genau wissen, womit er es zu tun hatte. Das Licht war zu schwach, um Einzelheiten zu erkennen, und er tastete nach seinen Streichhölzern. Er war so konzentriert, daß er nicht bemerkte, wie die grünen Schemen rechts und links an ihm vorbei waberten und ihm den Rückzug versperrten.
Die Gefangenen kreischten und wimmerten. Die grünen Schemen breiteten sich ohne Hast über sie, der erste Gefangene warf den Kopf in
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