DS054 - Stausee des Todes
Offiziellen sich zu der Behauptung, einer der zuständigen Beamten wäre einem Irrtum aufgesessen und hätte in seinem Bereich einen Zug angemeldet, den es gar nicht gab.
Beide ›Zufälle‹ waren nicht sehr glaubhaft, aber noch weniger glaubhaft war, daß ein ganzer Zug spurlos verschwunden sein sollte.
Tatsächlich hatte jener zuständige und zu unrecht beschuldigte Beamter als erster bemerkt, daß der angekündigte Zug von einer kleinen Station an der Strecke, die der Zug hätte passieren müssen, nicht gemeldet worden war. Mit vor Zorn hochrotem Gesicht telefonierte er mit dem Fahrdienstleiter jener Station und bezichtigte ihn, geschlafen zu haben, während der Zug an ihm vorüberrollte. Der Fahrdienstleiter protestierte und schwor bei allen Heiligen, die ihm einfielen, es gäbe keinen notorisch wacheren Menschen als ihn, und er hätte keinen Güterzug gesehen.
Nachforschungen ergaben, daß der Zug anscheinend auch die nächsten Stationen nicht passiert hatte. Da dies nicht gut angehen konnte, klingelte der Beamte den Superintendenten der Bahn aus dem Bett. Der Superintendent hörte sich durch’s Telefon an, was der Beamte ihm mitzuteilen hatte und heulte vor Wut.
»Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie reden?!« brüllte er. »Ein Güterzug kann doch nicht spurlos untertauchen!«
Aber der Zug war untergetaucht, und er hatte scheinbar keine Fährte hinterlassen. Der Superintendent hatte den Verdacht, der Zug könnte in einem unübersichtlichen Canyon abgestürzt oder durch eine verkehrt gestellte Weiche auf einem toten Gleis gelandet sein. Der Streckenmeister fuhr in einem Schienenauto dorthin, wo der Zug zuletzt gesichtet worden war, und stellte von dort aus Ermittlungen an, ihm folgten Streckenarbeiter und Eisenbahndetektive, denen eingeschärft worden war, entweder den Zug zu finden oder sich um andere Jobs zu bemühen.
In keinem einzigen Canyon lag ein zertrümmerter Güterzug, und kein verschollener Güterzug stand auf einem toten Gleis herum – aus einem einfachen Grund: An der Strecke gab es kein totes Gleis. Es gab ein paar stillgelegte Bergwerke und Fabriken, die allerdings keine Gleisanschlüsse hatten, und ohne Gleise konnte der Zug schwerlich abgebogen sein.
Der Präsident der Bahnlinie persönlich, der Superintendent und zahllose niedere Dienstgrade klemmten sich ebenfalls in Schienenautos und befuhren den Abschnitt, den der Zug passiert haben mußte, sofern er nicht wirklich nur ein Hirngespinst jenes Beamten war.
Umständliche Berechnungen führten zu dem Ergebnis, daß der Zug, falls überhaupt, in einem Sektor von rund hundert Meilen die Schienen verlassen haben mußte. Etwa fünfzig Meilen waren kahle, dünn besiedelte Prärie, der Rest war Gebirge. Der Zug hatte nicht die Prärie überquert, er war auch nicht auf die Berge gestiegen. Daher konzentrierten die Männer in den Schienenautos ihre Suche auf eine Stelle, wo das Gleis am Stone-Mountain-Damm entlangführte.
Wenn die Fahndung nicht ganz und gar unsinnig war, davon waren die Männer überzeugt, kam als Fundort nur der Stone-Mountain-Damm in Betracht.
Der Stone-Mountain-Damm hatte von Anfang an als großartiges Projekt gegolten, das den Schweiß der Edlen wert war, obwohl etliche Politikerkarrieren daran gescheitert waren. Der Staudamm war nicht nur einer der größten und höchsten der Welt, sondern auch einer der teuersten; deswegen waren die Politiker gestolpert. Ihre Gegner machten sie für die Unkosten verantwortlich, und wer für den Staudamm votiert hatte, wurde prompt bei der nächsten Abstimmung nicht wiedergewählt.
Als der Staudamm endlich – vor zwei Jahren – in Betrieb genommen worden war, hatte es sich herausgestellt, daß hier die Steuergelder weit besser investiert worden waren als im allgemeinen. Das Wasser aus dem Stausee wurde durch Rohre dreihundert Meilen weit in eine der wichtigsten Städte im Westen gepumpt, außerdem diente es der Landwirtschaft in der näheren Umgebung, und schließlich versorgte es über ein Elektrizitätswerk auf dem Damm nicht wenige Menschen mit Strom. Dennoch waren die Politiker, die ihn ermöglicht hatten, praktisch gestorben und bestenfalls bei der nächsten Wahl wieder zum Leben zu erwecken, falls das Publikum sie bis dahin nicht vergessen hatte.
Der See war knapp siebzig Meilen lang, und nur zwei Meilen weit folgten die Bahnschienen der Uferlinie. Da hier der Stone Mountain Canyon beinahe senkrecht zum Wasser abfiel, war ein künstliches Sims in den Hang gehackt und
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