DS055 - Der Allwissende
ausgetobt hat«, bemerkte Renny.
»Fundamental korrekt«, bestätigte Johnny. »Die subterranen Strata scheinen hier eine profunde Transition durchgemacht zu haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß es in der Syrischen Wüste sonstwo eine Region dieses Charakters gibt.«
Nach zwei weiteren Stunden Zickzackweg durch Lavafelsen ritten die Beduinen in einen schmalen Paß ein. Hadith, der auf einem schneeweißen Araberpferd voranritt, parierte plötzlich durch und stieß zwischen den Fingern einen schrillen Pfiff aus.
»Da sieh!« rief Renny aus. »Voraus ist ein grünes Glühen!«
»Stimmt«, sagte Johnny, »aber jetzt läßt es nach.«
Der Paß war so schmal, daß einer hinter dem anderen reiten mußte. Die Sonne stand noch nicht hoch genug, um in ihn hineinzuscheinen. Dadurch war das grüne Phosphoreszieren in dem Bergspalt klar zu erkennen gewesen. Offenbar auf Hadiths Pfiff hin war es verschwunden.
»Heiliges Donnerwetter!« knurrte Renny. »Wenn dies der einzige Paß ist und wir auf dem Weg in das Tasus-Tal sind, läßt sich leicht erraten, warum da nie wieder jemand rausgekommen ist.«
Renny und Johnny waren gänzlich unvorbereitet auf den Anblick, der sich ihnen plötzlich bot. Es war, als ob man wie durch Zauber aus der kahlen Wüste unversehens in das biblische Land gelangte, von dem es hieß, daß dort Milch und Honig floß.
Dattelpalmen schwankten mit ihren Kronen über blühenden Gärten, aber dies nur in einem schmalen Gürtel, der sich über sanft gewellten Hügeln verlor, während beiderseits zackige schwarze Lavafelsen aufragten.
»Dies scheint das große Geheimnis der verborgenen Stadt zu sein, die der Syrier Haifid Tasunan nannte«, erklärte Johnny. »Es zeigt den Verlauf eines unterirdischen Flusses an. Und der Gesteinsformation nach dürften hier auch die alten Gräber liegen, die Denton
Cartheris entdeckt hat.«
»Heiliges Kanonenrohr!« rief Renny. »Da ist ja eine ganze Stadt!«
Tatsächlich ragte etwa zwei Meilen vor ihnen eine hohe dicke Stadtmauer auf. Dahinter waren spindeldürre Minaretts zu erkennen, die in der Morgensonne glitzerten.
Die Beduinen scharten sich jetzt eng um Docs Männer, und diese sahen, daß nicht die Stadt ihr Ziel war.
»Sieht aus, als ob wir in ein ganzes Armeelager kommen«, stellte Johnny wenig später fest.
Tatsächlich standen auf einem Sandstreifen innerhalb der eingrenzenden Berge mehr als zweihundert schwarze Zelte. Es sah aus wie das Heerlager eines regierenden Scheichs der Scheichs. Nur schien hier Hadith, der nubische Ex-Sklave, das Oberkommando zu haben. Absolut nichts Sklavenhaftes war an ihm, als er auf seinem weißen Schimmel stolz in das Lager ritt, die Hand am Griff seines juwelenbesetzten Krummschwerts.
»
Wellah!
« rief er. »
El Farengi!
«
Trotz der Situation und des anstrengenden Nachtritts spürten Renny und Johnny ausgesprochenen Hunger, als ihnen jetzt die Düfte von scharf gewürzten Speisen in die Nasen drangen. In den schwarzen Zelten war es die Stunde des Morgenmahls.
Schlanke bronzefarbene Frauen mit unverschleierten Gesichtern und in staubigen sackartigen Kleidern, die bis in den Sand hingen, starrten sie unverhohlen an, anders als es Moslemfrauen sonst zu tun pflegen. Vor ein paar kleineren Zelten spielten splitternackte Kinder.
Die Beduinen banden ihren Gefangenen die Hände los. Hadith ritt herbei. Er sprach englisch.
»Für’s erste werdet ihr in den Zelten
dackhile
sein«, eröffnete er ihnen. »Aber versucht nicht zu fliehen, denn von hier gibt es keine Fluchtmöglichkeit.«
Renny und Johnny wußten, daß ›
dackhile‹
unverletzlich bedeutete. Einer der Beduinen führte sie auf ein großes schwarzes Zelt zu, das abseits aller anderen stand, einen regelrechten Zeltpavillon von dreißig Metern Länge, dessen eines Ende als Harem, als Raum für die Frauen, abgeteilt war. Offenbar Hadiths Zelt.
»Donnerwetter«, erklärte Renny, »ich habe einen Hunger, als ob ich eine ganze Kuh essen könnte!« Johnny, der ahnte, was sie erwartete, zog eine Grimasse. »Bei den primitiven epikureischen Sitten hierzulande wird dir dein Superappetit wahrscheinlich rasch vergehen.«
Ein Dutzend Beduinen drängten sich in dem Zelt um eine riesige Messingpfanne von fast zwei Metern Durchmesser, in deren Mitte auf einem Reishaufen der abgezogene Kopf eines Schafes thronte, in dem noch die bleckenden Zähne zu erkennen waren. Die Beduinen aßen, indem sie mit den bloßen Händen Fleischstücke und Reisballen in die schmierige Brühe
Weitere Kostenlose Bücher