DS055 - Der Allwissende
sich in den Fesseln, die ihm hinten die Handgelenke zusammenhielten.
»Verflixt«, beklagte er sich, »obwohl ich dauernd an den Dingern herumwurstelte, werden sie immer noch enger!«
»Heiliges Donnerwetter!« knurrte Renny. »Wie lange wollen die Kerle uns noch so hängen lassen? Vom Hals abwärts bin ich schon völlig gelähmt!«
»Wenn ihr euch gegen die Fesseln stemmt, macht ihr es nur noch schlimmer«, warnte Ham.
Da er ihnen nicht an’s Leben konnte, hatte Hadith sich etwas anderes einfallen lassen, um seine Rachegelüste zu stillen.
Docs Helfer waren an Pfähle gebunden, die mitten in der prallen Sonne standen, und er hatte sie mit Lederriemen aus frischen Häuten dort anbinden lassen, die sich beim Trocknen noch weiter zusammenzogen. Im Gesicht waren sie, derart schutzlos der sengenden Sonne ausgeliefert, bereits rot wie Krebse.
Whitey Jano hatte bei Hadiths kleinem Spaß nicht eingegriffen. Mit gekreuzten Beinen saß er im Schatten eines Zelteingangs und gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin – die die eingeborenen Beduinen mit scheuen Blicken beobachteten. Er warf Popcorn in die Luft, fing es mit dem Mund geschickt auf und kaute mampfend darauf herum. Er schien sich einen Vorrat davon in die Wüste mitgebracht zu haben. Mit seinem feisten Gesicht und den kleinen kohlschwarzen Augen sah er unter der wallenden
kafieh
beinahe selber aus wie ein Scheich.
»Verflucht sei er!« knurrte Renny. »Wahrscheinlich hat er uns das Leben nur gerettet, um sich an unseren Qualen zu weiden!«
Aus der Richtung, in der die Stadt und die Gräber lagen, klang das Rattern eines Maschinengewehrs herüber.
»Wenn ich richtig vermute«, sagte Ham, »hat sich dieser Ranyon Cartheris zwischen dem Haupttor der Stadt Tasunan und dem Beduinenlager verschanzt. Aus irgendwelchen Gründen wollen oder können sie so nahe bei den Gräbern ihr Todesschattending nicht ein-setzen. Cartheris scheint gut bewaffnet zu sein und jede Menge Munition zu haben. Damit kontrolliert er wohl die Wasserzufuhr wie auch den Lebensmittelnachschub aus den dahinterliegenden Gärten.«
»Cartheris kann aber nicht viele Männer haben, und die dürften alle Araber sein«, sagte Johnny. »Jetzt planen die Beduinen wohl, die Stadt Tasunan im Handstreich zu nehmen.«
»Genau das dürfte die Antwort sein«, bestätigte Ham. »Ich hörte Whitey Jano sagen, daß der Allwissende vorhat, die Einwohner zu Sklaven zu machen, wenn er die Stadt erobert hat. Sie scheinen friedliche Leute zu sein, ohne viel Kampferfahrung, aber wenn es um ihre Freiheit geht, werden sie sich wohl dennoch erbittert wehren.«
Gewehrschüsse hallten aus der Richtung der Gräber herüber. Als das Maschinengewehr zu hämmern begann, verstummten sie. Dann ließ eine dumpfe Detonation den Boden erzittern. Beduinen schrien auf.
»Heiliger Moses!« knurrte Renny. »Dieser Cartheris scheint noch dickere Dinger in petto zu haben. Deshalb wagen die schwarzen Teufel bisher wohl nicht, ihn frontal anzugreifen.«
Es war kurz vor Mittag gewesen, als sie an die Pfähle gebunden wurden. Jetzt ging hinter den Bergkämmen die Sonne unter. Dadurch ließ der Druck der trocknenden Lederriemen etwas nach. Von der Einmündung des schmalen Passes drangen Rufe herüber.
Hadith und eine Gruppe Wächter ritten hin. Als sie zurückkamen, hatten sie einen riesigen, enorm dicken Mann dabei. Der Kleidung nach schien er Syrer zu sein. Seine schwarzen Augen, die hinter den Fettwülsten der Wangen fast verschwanden, hatten so kleine Pupillen, daß sie kaum zu erkennen waren. Er ritt ein nervöses schwarzes Pferd mit kostbar eingelegtem Sattelzeug. Zwei Lastkamele folgten ihm.
Auf dem einen Kamel hockte ein eingetrocknetes Individuum offenbar äthiopischer Rasse. Der kleine schwarze Mann schien der Diener, Kameltreiber und überhaupt das Mädchen-für-alles des Syrers zu sein, mit anderen Worten, sein Sklave. Seine Handzeichensprache verriet, daß er stumm war.
»Ich bin Duzun Kado«, wandte sich der Syrer an Hadith und fuchtelte mit seinen fetten Händen herum, die mit protzigen Diamantringen geschmückt waren. »Im Namen Allahs, Sie werden mich jetzt unverzüglich zu Ihrem Herrn führen.«
Hadiths schwarze Augen blitzten, aber er hielt sich zurück. Er führte den anmaßenden Fremden zu dem Zelt, in dessen Eingang Whitey Jano saß. Hadith raunte ihm etwas zu, woraufhin Jano wohlwollend nickte.
»Ich muß erst erfahren, was sein Auftrag ist, bevor ich ihn zu dem Allwissenden lassen kann«, sagte Jano
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