DS057 - Die grünen Mumien
beide Parteien sich wieder einigermaßen sehen konnten. Der kleine Mann zeigte auf Johnny, der die Mädchen überragte wie ein Kirchturm die Häuser eines Dorfs, und jammerte und gestikulierte.
»Die Toten!« griente er in einem Gemisch aus Sioux und Cherokee. »Die grünen Toten! Sie sind auferstanden!«
Er fuhr herum und flüchtete bergab; die anderen Männer auf dem Felsen schlossen sich an. Die Hauptstreitmacht bemerkte, daß die Anführer desertierten, und stellte den Kampf ein. Die Indianer eilten um das Massiv herum und durchquerten abermals das Tal. Die Frauen nahmen die Verfolgung auf, und Doc hätte sich nun unbehindert zurückziehen können. Er tat es nicht. Er wähnte sich außer Gefahr und war zu neugierig, um die Stadt zu räumen, ehe er sie richtig kennengelernt hatte.
Nach einiger Zeit kamen die Frauen wieder. Sie waren nicht mehr feindselig. Sie schienen verstanden zu haben, daß der Mann mit den goldenen Augen und der grüne Tote, der mittlerweile weder grün noch tot, sondern ziemlich lebendig und unverkennbar weiß war, sie vor dem Untergang bewahrt hatten. Molah war nicht in Sicht. Sie hatte sich, als die ersten Speere flogen, in die unterirdischen Korridore zurückgezogen.
Johnny hatte die Abwesenheit der Mädchen dazu benutzt, Doc umständlich und wortreich zu begrüßen. Er überschüttete Doc so ausgiebig mit Fragen, daß dieser nicht imstande war, sie alle zu beantworten. Doc berichtete in Stichworten von Hugo Parks’ Besuch in New York, von den Attacken in Docs Wohnung, in der Garage und unterwegs, und er teilte ihm mit, daß er sich aus alledem noch keinen rechten Reim machen konnte. Johnny erkundigte sich nach seiner eigenen Bewußtlosigkeit und seiner erstaunlichen Wiederbelebung, doch Doc vertröstete ihn auf später. Der Sachverhalt war zu kompliziert, als daß ein paar dürre Worte ausgereicht hätten, ihn zu erklären.
Molah erschien wieder auf der Bildfläche, als wäre nichts geschehen. Sie rief ihre Mädchen zu sich und tuschelte mit ihnen; lediglich Zehi blieb wieder abseits. Doc beobachtete sie und Molah; Zehi tat ihm leid. Sie hatte sich in dieser Gesellschaft selbst zum Paria gemacht, als sie mit Docs Hilfe das Curare überlebte.
Die Mädchen eilten auseinander und rückten von allen Seiten gegen Doc und Johnny vor. Sie zielten mit ihren Speeren und benahmen sich unvermittelt wieder, als hätten sie vergessen, daß sie ihre Rettung fast ausschließlich Doc und Johnny zu verdanken hatten. Doc lächelte freudlos. Er bemühte sich, seine Enttäuschung nicht zu zeigen.
Einige der Mädchen packten Johnny, fesselten ihm schnell und routiniert die Hände und zerrten ihn zu einem der ausgehöhlten Felsen. Sie stießen ihn in die Höhle und wuchteten ein schweres Eisengitter davor.
Doc wartete ab. Er fühlte sich ein wenig wie Gulliver unter den Zwergen. Solange er die Arme bewegen konnte, wäre es ihm ein leichtes gewesen, diese Meute zu überwinden, aber mittlerweile war er nicht nur neugierig auf die Stadt, sondern wollte auch wissen, wie weit die Unverfrorenheit der Anführerin ging.
Die Mädchen versuchten nicht, ihn ebenfalls zu fesseln. Aber sie senkten ihre Speere nicht und ließen ihn nicht aus den Augen. Das Mädchen mit der Schlangenhaut um die Hüften trat vor ihn hin und fixierte ihn.
»Dir wird nichts geschehen«, sagte sie rauchig. Sie deutete auf die Mädchen. »Geh mit ihnen. Molah verbürgt sich dafür, daß du frei bist, wenn du nicht zu fliehen versuchst.«
Doc fand diese Rede einigermaßen rätselhaft, doch er wollte nicht um eine Erläuterung bitten. Er ahnte, daß das Mädchen sich selbst meinte, wenn es von Molah sprach. Was sie mit ihm vorhatte, ahnte er nicht, und er hatte einstweilen keine Lust, darüber nachzudenken.
Die Mädchen trieben ihn mit den Speerspitzen vor sich her, und er ließ sich treiben. Er war entschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, bis er verstanden hatte, worum dies alles ging. Als er sich noch einmal umwandte, bemerkte er, daß Zehi ihm traurig nachblickte. Er hätte ihr gern zugeblinzelt, doch er fürchtete, sie damit noch mehr in Mißkredit zu bringen.
15.
Sleek Norton hatte einen Einfall. Er schickte die Indianer, die mit Gloria Delpane, Hugo Parks, seinen beiden Adjutanten und den Gefangenen ins Lager gekommen waren, zu dem Tal vor der Felsenstadt. Da er seinen Dolmetscher nicht zur Verfügung hatte, beschrieb er den Indios mit Gesten, was er von ihnen wollte. Weil die Indios von seinem
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