DS057 - Die grünen Mumien
wenn er ernstlich Wert darauf legte. Er konnte die Tür aufreißen und blitzschnell mit Betäubungsmunition um sich ballern, er konnte auch versuchen, einige seiner kleinen Gaskugeln hinauszuschleudern. Aber dann mußte er Johnny zurücklassen, und diese Vorstellung war ihm herzlich zuwider.
»Wann ist ›später‹?« fragte das Mädchen.
Doc antwortete nicht. Noch einmal kontrollierte er Johnnys Herzschlag, dann füllte er ein paar Injektionsnadeln und eilte zu den anderen Toten in den Nischen. Zehi starrte ihm nach; über ihr Gesicht rannen Tränen. Sie schämte sich. Seit ihrer Kindheit hatte sie nicht mehr geweint, sie fand es unweiblich. Tränen waren etwas für Männer.
»Die Frauen werden dich ins Opferfeuer werfen«, sagte sie leise. »Du wirst sterben – für einen Toten ...«
Doc kehrte zurück. Das Mädchen hustete und würgte, und Doc gab ihr eine zweite Oxygentablette. Mechanisch legte sich Zehi das übelschmeckende Ding auf die Zunge und überließ sich ihrem Kummer. Sie ahnte nicht, daß Doc ihr seine letzte Tablette gegeben hatte, weil er wähnte, stärker zu sein als das Mädchen.
Er irrte sich. Seine gewaltigen Muskeln verbrauchten mehr Sauerstoff als die eines weniger herkulisch gebauten Menschen – er sah dies ein, als sich plötzlich der Raum um ihn zu drehen schien. Gewaltsam nahm er sich zusammen, er rang sich sogar ein Lächeln ab.
Im Unterbewußtsein erwog er, nun doch auf das Angebot des Mädchens einzugehen und durch das Loch in der Decke zu flüchten; um Johnny konnte er sich kümmern, wenn er die hysterischen Amazonen abgeschüttelt hatte. Dann überlegte er, ob er es nicht lieber mit der Pistole oder den Gaskapseln versuchen sollte. Verdrossen kam er zu der Erkenntnis, daß ihm zu beidem die Kraft fehlte. Er sackte zusammen und setzte sich hilflos auf den Boden.
»Jetzt kennen wir uns schon so lange«, sagte er undeutlich, »und ich weiß nicht einmal, wie du heißt.«
»Zehi.« Das Mädchen schluchzte. »Du bist wunderbar, aber entsetzlich dumm. Das hast du nun davon ...«
Doc hatte nur halb zugehört. Noch einmal raffte er sich auf. Schwer stützte er sich auf die Steinplatte und preßte den Mund an Johnnys linkes Ohr. Er vertraute darauf, daß Johnny in seinem Zustand zwischen Wachen und Träumen hypnotischen Einflüssen besonders zugänglich sein würde. Er konnte nur hoffen, sich nicht abermals zu irren.
Zehi beobachtete, wie er langsam die Lippen bewegte; sie hatte den Eindruck, daß er sich von dem Toten verabschiedete, den er trotz aller Bemühungen und ihren Erwartungen zuwider doch nicht hatte aufwecken können. Sie war ein wenig gekränkt, daß er sich nicht vor allem von ihr verabschiedete, und tröstete sich mit dem Gedanken, daß er schon nicht mehr ganz bei Sinnen war. Sie schluchzte hemmungslos.
Wieder sank Doc zu Boden.
»Warum nimmst du nicht selbst eine von den weißen Scheiben?« fragte sie schrill.
»Ich ... hab keine ... mehr«, flüsterte er.
Er schloß die Augen, streckte sich lang aus und erschlaffte. Das Mädchen rannte zur Tür und riß sie auf, die Frauen drängten herein und fuchtelten mit ihren Speeren herum. Befremdet musterten sie die tränenüberströmte Zehi.
»Schnell!« rief sie. »Vielleicht könnt ihr ihn noch retten! Er hat mir einen Zauber gegeben, der mich beschützt hat, aber er selbst ist umgefallen!«
Sie erschrak. Sie begriff, daß man sie der Fraternisierung nicht nur mit einem Mann, sondern obendrein mit einem Feind bezichtigen konnte – sie kannte das Wort Fraternisierung nicht, aber die Tätigkeit, die es bezeichnete, war ihr geläufig und es war nicht ausgeschlossen, daß die Richterinnen sie ebenfalls zum Tod im Opferfeuer verurteilten. Abrupt hörte sie auf zu weinen. Von einer zur anderen Sekunde war sie sehr ernst und gefaßt und wieder sehr aristokratisch.
Ohne Hast schleiften die Frauen den Gefangenen aus der Gruft auf den Korridor. Der Durchzug hatte zur Folge, daß die Dämpfe sich schnell auflösten. Von hinten trabten etliche schmächtige Männer heran, luden sich Doc auf die Schultern und schleiften ihn in einen geräumigen Saal. Die Frauen schlossen sich an. Zehi bildete die Nachhut.
Die Männchen warfen Doc auf den Boden und schlichen hinaus. Die Frauen bauten sich ringsum an den Wänden auf und warteten. Zehi stellte fest, daß sie ignoriert wurde, als hätte sie den Aussatz. Trotz stieg in ihr auf. Sie schürzte die Lippen und beschloß, ihren Geschlechtsgenossinnen eine Überraschung zu
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