Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
überzeugt, dass es sich um ein Signal handelte, das mir galt, dass sich Gott genau über mir im Orbit befand und Gebete entgegenzunehmen gedachte. Wie gelähmt blickte ich zu dem Licht auf, das mir zuzwinkerte, und irgendwann musste mich die Müdigkeit übermannt haben.«
    Â»Du flunkerst«, sagte Jonathan.
    Â»Nein, es ist die reine Wahrheit«, erwiderte Ailif empört. »Ich hatte doch damals keine Ahnung, was ein Rauchmelder ist. Und als ich es Vater am nächsten Morgen erzählte und ihm meine Mutmaßungen mitteilte, lachte er, bis ihm die Tränen kamen. Ich ärgerte mich über seine Reaktion, aber noch mehr ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich mich so arglos und naiv offenbart und dabei so blamiert hatte. Und mein Vater versäumte keine Gelegenheit, die Geschichte seinen Freunden zu erzählen, wobei es ihm jedes Mal gelang, auf meine Kosten Heiterkeitserfolge zu erzielen. Das, meine Lieben, war meine erste und einzige Begegnung mit Gott. Ich habe sie nie vergessen.«

| 10 |
    Â»Suk und Anzo, steht auf und tretet heraus!«
    Jetzt war es so weit.
    Ich stand auf, schob Anzo auf den Gang und trat neben ihn.
    Der Großarchon schloss den gefürchteten schmalen Wandschrank auf, in dem er seine Gerten aufbewahrte. Er wählte eines der Rohre aus und ließ es probeweise auf sein Pult herabsausen. Die Schüler zuckten zusammen.
    Â»Suk!«
    Â»Ja, Eure Heiligkeit.«
    Â»Du hast behauptet, Anzo habe dir gesagt, dass der Dongo um Gnade gefleht hat. Was soll dieses gottlose, verlogene Geschwätz? Der Allmächtige hat Anzo gestraft und ihm auf ewig den Mund verschlossen. Und du willst ihn gehört haben?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    Â»Ich habe dich etwas gefragt!«, schrie der Großarchon. Wieder sauste die Gerte herab und knallte aufs Pult. »Also rede gefälligst!«
    Â»Er hat es zu mir gesagt, Eure Heiligkeit«, stieß ich hervor und sah wieder den entsetzten, fassungslosen Blick Anzos, den er mir aus seinen dunklen Augen zuwarf.
    Â»Wie hat er es dir gesagt, wenn er doch nicht reden kann?«
    Â»Er … er redet mit den Händen.«
    Â»Mit den Händen? Und du gottloser Idiot verstehst, was er mit den … Händen sagt?«
    Ich nickte und starrte den Boden an.
    Â»Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst! Und antworte!« Der Blähhals unter der Soutane wogte.
    Â»Ja, Eure Heiligkeit.«
    Â»Wo hast du das gelernt?«
    Â»Er hat es mir beigebracht.«
    Â»Und wo hat er es gelernt?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    Â»Dann frag ihn!«
    Anzo gestikulierte hektisch.
    Â»Er sagt, von seiner Mutter.«
    Â»Sagt er.«
    Â»Ja, Eure Heiligkeit.« Ein feiges Winseln entwich meiner Brust – ich schämte mich dafür.
    Â»Von dieser unreinen, gottlosen Schlampe«, donnerte der Großarchon. Alle zogen den Kopf ein.
    Â»Urgh, urgh«, presste Anzo mit gerötetem Gesicht hervor. Er funkelte den Großarchon zornig an.
    Einige der Schüler mussten kichern. Sie pressten die Faust auf die Lippen, um die Lautäußerung zu unterdrücken – aus Angst, das nächste Ziel des heiligen Zorns zu werden.
    Der Großarchon schlug Anzo mit der Gerte übers Ohr. Anzo zuckte zusammen, verzog das Gesicht und fasste sich an die schmerzende Stelle.
    Â»Und was sagt er jetzt?«, fragte mich der Großarchon.
    Â»Er hat nichts gesagt, Eure Heiligkeit«, erwiderte ich.
    Wieder unterdrücktes Gekicher hinter uns.
    Â»Was für eine teuflische Hinterhältigkeit!«, fuhr uns der Großarchon an. »Welche Infamie, sich hinter dem Rücken von allen anderen mit den Händen zu unterhalten, geheime Zeichen auszutauschen, üble Absprachen zu treffen. Man sollte euch beiden die Hände abhacken. Und der Schlampe aus dem Haar dazu. Wie kann sie es wagen, Kindern solch abartige Dinge beizubringen!«
    Nun herrschte hinter uns entsetztes Schweigen über die Ungeheuerlichkeit dieser Drohungen.
    Â»Ja. Ich werde nicht euch, sondern eure sündigen Hände bestrafen.«
    Schon beim dritten Hieb auf die ausgestreckte Hand trieb mir der Schmerz die Tränen in die Augen.
    Â»Spürst du die Gerechtigkeit Gottes?«, fragte der Großarchon schnaufend. »Spürst du sie?«
    Â»Ja, Eure Heiligkeit«, wimmerte ich.
    Â»Lauter!«
    Â»Ja, Eure Heiligkeit. Ich spüre sie.«
    Als es vorbei war, steckte ich die gepeinigten Hände schluchzend in die Achselhöhlen.

Weitere Kostenlose Bücher