Dschiheads
eine Sekte mit ein paar Zehntausend Mitgliedern gegen Glaubensgemeinschaften mit Hunderten von Millionen Anhängern ausrichten?«
»Aber sie richtete erschreckend viel aus, weil sie gegen diese Gemeinschaften, gegen ihre Repräsentanten und ihre heiligen Stätten unglaublich skrupellos vorging. Mit einer unvorstellbaren Zerstörungswut und grausamen Massenmorden mit chemischen und biologischen Kampfstoffen. Der Kampf eskalierte, weil sich die Glaubensgemeinschaften in ihrer Substanz bedroht fühlten und sich nun erst recht eng um ihre angestammten Götter scharten. Ramachandran hatte genau das Gegenteil von dem erreicht, was er hatte erreichen wollen.«
»Das ist doch logisch«, sagte Ailif.
»Ãbrigens hat es bei den Gotteskriegern offenbar nie ein operatives Zentrum gegeben, von dem aus die Anschläge geplant und koordiniert wurden. Von Ramachandran ist der Ausspruch überliefert: âºJeder Gotteskrieger trägt sein Ziel in sich wie ein abgefeuertes Geschoss. Nichts und niemand kann ihn aufhalten.â¹ Daran ist viel herumgerätselt worden. Man mutmaÃte, Wissenschaftlern, die in seinem Auftrag arbeiteten, sei es gelungen, militante Gottesgene in die Keimbahnen seiner Anhänger einzuschleusen. Es konnte aber nie etwas Derartiges nachgewiesen werden. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass die Gehirne der Gotteskrieger durch Drogen manipuliert wurden. Tatsache ist, dass man bei jedem von ihnen eine signifikante Veränderung des Schläfenlappens feststellte. Ob dies das Ergebnis von Manipulationen war, ist nicht erwiesen, eine solche Hypertrophie könnte ebenso gut die physische Voraussetzung von tiefer Frömmigkeit und blindem Glaubensgehorsam sein. Wie auch immer, das FBI und später die Vereinten Nationen haben lange gezögert, aber schlieÃlich sahen sie sich gezwungen, mit aller Härte vorzugehen. Sie haben rigorose Verfahren der Gehirnwäsche gegen die Rädelsführer angewendet â¦Â«
»Die Gottektomie«, sagte Maurya.
»Die übrigens um 2000 in Guantanamo, einem Gefangenenlager der USA auf Kuba, entwickelt wurde«, warf Ailif ein. »Das hat die amerikanische Regierung zwar immer bestritten, aber das Gerücht hielt sich hartnäckig, zumal die Akten bei der SchlieÃung des Lagers vernichtet wurden.«
»Soll ich fortfahren?«, fragte Jonathan.
Ailif grinste. »Aber gerne.«
»Moment«, sagte Maurya. »Du hast Cayley gegenüber eine Jahreszahl erwähnt, Ailif. Das Jahr, bis zu dem tiefe Frömmigkeit in den USA in der Fachliteratur als Geisteskrankheit beschrieben wurde.«
»Richtig: 1994.«
»Kurz darauf musste dieser Eintrag aber getilgt werden.«
»Ja, denn inzwischen bestand die Regierung der USA weitgehend aus christlichen Fundamentalisten, Evangelikalen und Wiedergeborenen. Unter diesen Umständen war die Definition eine Beleidigung von Amtsträgern und musste verschwinden.«
»Ich verstehe das nicht ganz. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Gottektomie entwickelt, mit der man Frömmigkeit beseitigen kann â wie passt das zusammen?«
Ailif lachte. »Nun, die wurde ja gegen Andersgläubige entwickelt, vor allem gegen Islamisten. Es war eine wirksame Waffe. Ein SPECT -Scan genügte, um die Religiösen an einer Temporallappenanomalie zu identifizieren. Und ein winziger Eingriff in den Schläfenlappen, eine TMS, eine Transkranielle Magnetstimulation, um sie zu kurieren. Ein kleiner Stromstoà und â wuff â ausgeglaubt.«
Kurieren? War es wirklich so einfach? Maurya musste an ihren Vater denken, der sich einem solchen Eingriff hatte unterziehen lassen müssen. Die Operation hatte seine Persönlichkeit völlig verändert. Von da an war er in sich gekehrt und vereinsamte zunehmend. Er kapselte sich ein, war kaum noch ansprechbar â selbst für sie nicht, die er immer geliebt hatte.
»Darf ich jetzt fortfahren?«, fragte Jonathan.
»Bitte, Jo.«
»Das Verfahren zur Früherkennung, die prädikative Hirndiagnose, ist bis heute umstritten, sowohl moralisch als auch medizinisch. Aber ohne seine Anwendung hätte man den Terroranschlägen, Selbstmordattentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen niemals wirksam entgegentreten können, weder auf der Erde noch später auf New Belfast. Man konnte damit potenzielle religiös motivierte Straftäter im Vorfeld aussondern und sie auffordern, sich einer Gottektomie zu
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