Dschiheads
unterziehen.«
Das stimmt nicht ganz, dachte Maurya. Vater war immer ein warmherziger, friedliebender Mensch gewesen. Seine Vorgesetzten bei der Ulster Credit hatten ihm nahegelegt, sich dem Eingriff freiwillig zu unterziehen. Man hatte ihn bespitzeln lassen und ihm ȟbertriebene Frömmigkeit« vorgeworfen. So hatte man ihn heimlich beobachtet, wie er sich in seinem Büro auf die Knie niederlieà und betete â dergleichen mache auf die Kunden der Bank einen »irritierenden Eindruck«. Aber das tat er nur, wenn er allein war; er war nun einmal ein gottgläubiger Mann. Nach der »Behandlung« hatte er Maurya unter Tränen gestanden, dass ihm wie einem Wanderer zumute sei, dem in der Wildnis sein Führer abhandengekommen ist: Du blickst dich plötzlich ratlos um und weiÃt nicht, welchen Weg du einzuschlagen hast. »Du hast doch mich«, hatte sie gesagt, aber er hatte nur traurig den Kopf geschüttelt und sich abgewandt.
»Trotz massiver Repressalien«, fuhr Jonathan fort, »denn einige Staaten machten den SPECT-Scan zur Pflicht und das Ergebnis zum Bestandteil der Informationen auf Gesundheits- und Reisechips, weigerten sich viele Gläubige bei positivem Befund, die Behandlung durchführen zu lassen. Sie zogen es vor auszuwandern, als sich die Möglichkeit ergab, auf New Belfast zu siedeln. Und es geschah genau das Gleiche, was im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert auf der Erde geschah, als die Europäer Amerika besiedelten: Die von ihrer Bestimmung überzeugtesten Gemeinden von Wirr- und Querköpfen taten sich zusammen und wanderten gemeinsam aus, um in der Neuen Welt ihr spezielles Jerusalem zu gründen, unter sich zu sein, befreit von Staatskirchen und anderen Obrigkeiten, um Gott nach ihrer Fasson zu dienen. Sie bildeten isolierte Glaubensgemeinschaften â Splitterkirchen, Sekten und Kulte â, die versuchten, sich allein durchzuschlagen. Aber da waren noch die Ureinwohner, die Indianer. Da hieà es zusammenzurücken, die Gegensätze hintanzustellen und ums schiere Ãberleben zu kämpfen.«
»Auf New Belfast gab es aber keine Indianer«, unterbrach Ailif lachend. »Nur Echsen jedweder Gestalt, Form und Farbe. Also war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Gläubigen gegenseitig an die Gurgel gingen. Danke, Mr. Swift, danke, Jonathan, den Rest der Geschichte kennen wir aus eigener bitterer Erfahrung! Die Regierung sah wieder viel zu lange zu, bis sie in ihrer Verzweiflung über die Massaker die Flotte um Hilfe bitten musste, die das Morden unterband. Die Gottektomie wurde als Prophylaxe empfohlen und in groÃem MaÃstab durchgeführt. Ein harter Kern von Gläubigen, die die Behandlung ablehnten â man taufte sie spöttisch âºDschiheadsâ¹ â, wurde vor die Wahl gestellt, unter psychiatrischer Kontrolle in geschlossenen Anstalten zu leben oder nach Hot Edge auszuwandern. Ein paar Hundert zogen den âºZweiten Exodusâ¹, wie sie es nannten, vor und übernahmen stolz den Namen âºDschiheadsâ¹. Die Behörden nannten sie ironisch die âºSelektiertenâ¹, die âºAusgesondertenâ¹ beziehungsweise âºAuserwähltenâ¹, aber sie selbst betrachteten die Bezeichnung als eine Art Ehrentitel, als Gütesiegel. Sie sahen sich als die vom Alleinigen und Einzigen Gott Auserwählten für den Heiligen Krieg. Und was wir hier vor uns haben, ist ihr schäbiger Rest â ein heruntergekommenes Häuflein benebelter, starrsinniger Fanatiker dort drüben über dem Fluss.« Ailif atmete tief durch und verflocht die Finger im Nacken. Er war zornig, das war seinen Tattoos anzusehen, die sich in grellen Farben an Hals und Oberarmen drängten.
»Sie sind inzwischen zur Entrückungssekte mutiert«, sagte Maurya. »Solche merkwürdigen Glaubensgemeinschaften gab es schon auf der Erde unter den Christen in Europa und Amerika.«
Ailif hob die Augenbrauen. »Entrückung?«
»Ja, sie sind überzeugt, dass ihr Anführer sie noch zu seinen Lebzeiten ins Jenseits führen wird.«
»Allerdings«, warf Jonathan ein, »ist der GroÃarchon, wie er sich nennt, bereits der sechste Amtsträger, der der Gemeinde vorsteht. Seine fünf Vorgänger sind gestorben, ohne dieses Versprechen einzulösen.«
»Damit haben diese Leute kein Problem«, erwiderte Maurya. »Stirbt ein GroÃarchon, gibt sein Nachfolger die Parole aus, dass
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