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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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verschaffen. Das ist physikalisch unmöglich. Du hast geträumt, mein Mädchen.«
    Â»Ich habe nicht geträumt«, sagte sie trotzig. »Ich lag wach. Es war kurz nach Mitternacht, als er aus der Stadt fuhr und laut heulend die Küste entlang nach Osten stürmte, mit dem Pfeifen an jedem Bahnübergang und den präzisen Glockenschlägen, für die er bekannt ist und die er hinter sich herzieht wie eine Schleppe. Ich kenne jeden einzelnen Ton und den Takt seiner Melodie. Das ist schließlich mein Hobby.«
    Ihr Vater sah sie milde lächelnd an.
    Â»Denkst du, ich bin blöd oder habe Halluzinationen oder so etwas?« Sie war wütend.
    Â»Nein, mein Schatz. Aber was du behauptest, ist schlechterdings unmöglich.«
    Â»Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich in Ihr Gespräch einmische«, sagte ein älterer weißhaariger Mann am Nebentisch. Er hatte einen Spitzbart und trug ein groß kariertes buntes Hemd zu einer grünen Hose und weißen Strandschuhen. Nun erhob er sich, nahm seine kleine Haschischpfeife aus dem Mund und deutete eine Verbeugung an. »Patrick O’Leary ist mein Name. Ich lehre Biologie an der James Joyce in Ulster.« Krümel von Frühstücksgebäck hingen auf seiner Hemdbrust. Er bürstete sie mit der Handkante ab, als er den kritischen Blick ihres Vaters bemerkte.
    Ihr Vater stellte sich und Mutter vor, dann sagte er: »Und das ist meine jüngste Tochter Maurya.«
    O’Leary verbeugte sich erneut und strich sich über den Spitzbart. »Sie haben möglicherweise beide recht«, sagte er. »Es ist natürlich unmöglich, akustische Signale über eine Entfernung von fünftausend Kilometern wahrzunehmen. Trotzdem kann das junge Mädchen das Signal des Danubian -Express heute Nacht gehört haben.«
    Ihr Vater runzelte die Stirn. »Wie das?«
    O’Leary nickte bedeutungsvoll, sog an seiner Tonpfeife und stieß einen duftenden Rauchschwall aus. »Bei den Echsen auf New Belfast haben wir ganz erstaunliche Entdeckungen gemacht. Einige sind wahre Meister darin, Geräusche, Stimmen und Tonfolgen im Gedächtnis zu behalten und zu kopieren. Wir haben das ja heute Morgen auf der Terrasse gehört, wo sie den Musiker imitierten. Ganz erstaunliche Leistungen, die wir da festgestellt haben, das kann ich Ihnen versichern.« Er strich sich wieder über den Spitzbart, was ihm einen Hauch von Selbstgefälligkeit verlieh.
    Â»Aber den Danubian ? Ich bitte Sie, Professor. Er verkehrt auf dem Nordkontinent. Wie sollten hiesige Echsen ihn je gehört haben?«
    O’Leary schwenkte seine Pfeife. »Wussten Sie, dass immer wieder einzelne Exemplare der großen Fischer-Echsen, der Joghir und der Dacoit, die hier auf dem Südkontinent heimisch sind, im Sommer auf dem Nordkontinent auftauchen, um dort zu jagen? Es ist also sehr gut möglich, dass sich eine von ihnen den Ruf des Danubian gemerkt und hierhergetragen hat.« Er nickte und deutete mit dem Pfeifenstiel auf Maurya. »Sie haben sich bestimmt nicht getäuscht, junge Frau. Denn Sie sind eine Spezialistin.«
    Ihr Vater nickte, schien aber nicht wirklich überzeugt.
    Sollte tatsächlich eines dieser graugrünen Ungeheuer, ein Joghir mit fünfzehn Metern Flügelspannweite, den Danubian nachgeäfft und sie getäuscht haben? Eine Spezialistin wie sie? Sie beschloss, der Sache nachzugehen, um mehr über diese Tiere in Erfahrung zu bringen.
    Und bevor sie es sich versah, war es zu ihrem Beruf geworden.
    Es waren unbeschwerte Ferien gewesen, die sie mit ihrer Familie alljährlich auf dem Südkontinent verbracht hatte, bevor der Sommer zur Neige ging. Ihrer Mutter ging es damals noch ziemlich gut; die Ärzte glaubten, die Krankheit im Griff zu haben. Doch zuweilen hatte sie Momente der Desorientierung, die Maurya Angst machten, Angst vor der Zukunft. Ihre Mutter hatte bereits die Reise in die Dunkelheit angetreten – leise und fast unbemerkt, wie es ihre Art war.
    Â»Weshalb hat man unsere Welt eigentlich New Belfast getauft?«, fragte sie einmal.
    Ihr Vater hob die Augenbrauen und furchte die Stirn. Dann lächelte er. »Weißt du, wir Iren waren schon immer die größten Emigranten unter der Sonne. Als man Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts entdeckte, dass die Dunkle Energie Antriebe ermöglichte, mit denen man relativistische Geschwindigkeiten erreichen konnte, rückten die Sterne

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