Dschungel-Gold
schimmerten im Licht des Mikroskops feine, etwas milchige Kristalle. Sie klebten wie winzige Glassplitter an der Schale, aber es war kein Glas, es waren organische Kristalle.
Dr. Falke schob den Stuhl zurück und blickte zu Pater Burgos hinüber. Auch die Brüder Belisa, Avila und Tortosa standen nun an der Wand des Labors.
»Auf den Bananenschalen klebt Gift«, sagte er. Er sagte es langsam, jedes Wort tropfte von seinen Lippen. »Giftkristalle.«
»Das ist … das ist doch unmöglich«, stotterte Miguel. »Was für ein Gift?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Gift kann doch nicht durch die Luft fliegen wie Samenkörner …«
»Alles ist möglich. Oder anders gesagt: Im Dschungel ist alles möglich.« Dr. Falke atmete tief durch. »Wir wissen jetzt jedenfalls eins: Wir wissen, wo der Feind sitzt. Wir wissen, wie er aussieht … aber wir kennen seinen Namen nicht. Jetzt werde ich einige kluge Bücher wälzen, in Ermangelung eines toxikologischen Labors.«
»Wir können also die gesamte Plantage plattmachen!« rief Carlos.
»Abwarten. Ich brauche noch einige Stauden … wahllos aus den Feldern gehauen. Stauden aus verschiedenen Teilen der Plantage. Vielleicht kann man die … die Seuche eingrenzen.« Er sprach das Wort Seuche aus, als habe er große Zweifel. »Ich weiß nur eins ganz sicher: Bananen schwitzen keine Kristalle aus.«
Bis zum Abend arbeitete Dr. Falke in seinem Labor. Er opferte noch zwei Schweine und drei knöcherige, von der Räude befallene streunende Hunde. Und wieder das gleiche Sterben … bei den Schweinen, die die Schale fraßen, sechs bis zehn Minuten. Bei den Hunden, denen er die Kristalle ins Fell rieb, nachdem er die Haut etwas eingeritzt hatte, dauerte das Sterben über eine Stunde. Die Todesursache war die gleiche: Herzlähmung. Plötzlicher Stillstand.
Am Abend rief Dr. Falke die Brüder, Tortosa, Avila und Belisa ins Krankenhaus. Pater Burgos hatte die Sterbesakramente beim hundertsiebenundzwanzigsten Toten gelesen. Nun gab es keine kritischen Fälle mehr … die anderen Vergifteten würden überleben.
Dr. Falke breitete auf seinem Tisch einige Bücher und einen schriftlichen Bericht aus.
»Ich glaube, ich kenne die Ursache!« sagte er in die atemlose Stille hinein. »Und ich weiß, daß fast jede Begegnung mit ihr tödlich ist. Wer überlebt hat, kann wirklich Gott danken.« Er holte tief Atem. »Der Tod heißt Antiarin.« Er blickte in eines der aufgeschlagenen Bücher. »Auf den Philippinen, vor allem aber auf Mindanao – also bei uns – wie auch auf Guimaras, Kalinga-Apayan und Cagayan wächst ein Baum, den man den Upasbaum nennt. Seine Heimat ist eigentlich Java, aber er hat sich vor allem auf Mindanao verbreitet. Dieser Baum mit dem botanischen Namen Antiaris toxicaria scheidet einen Milchsaft aus, wenn man seine Rinde anritzt. So ähnlich wie bei einem Gummibaum. Dieser Milchsaft ist hochgiftig, und wenn er an die Luft, also mit Sauerstoff in Berührung kommt, kristallisiert der Saft sehr schnell und wird zu dem Gift Antiarin. Es ist eines der stärksten Kontaktgifte, die wir kennen … durch die Haut aufgenommen, führt Antiarin schon in winzigen Dosen zum Tod durch Herzlähmung. Toxikologen haben mit Fröschen experimentiert – man nimmt für diese Forschungen gern Frösche aus tropischen Gebieten – und gemessen, daß 0,009 Milligramm unweigerlich zum Tod führen! Könnt ihr euch vorstellen, wie tödlich ein winziges Kristall bei einem Menschen ist?! Und die Bananenschalen waren übersät mit Antiarin-Kristallen! Jede Berührung ist absolut tödlich! Das ist des Rätsels Lösung.«
»Nur halb.« Tortosas Gesicht zuckte vor innerer Erregung. »Wie kommt das furchtbare Antiarin an die Bananenschalen? Fliegt es von den Bäumen durch die Luft?«
»Nein.« Dr. Falke faltete die Hände, als wolle er beten. »Der Upasbaum muß geritzt werden, das kristallisierte Gift muß eingesammelt werden, und dann werden die Bananenstauden mit dem Gift eingerieben …«
»Das heißt …« Pater Burgos stockte der Atem.
»Ja, das heißt es!« Dr. Falke blickte hinüber zu Belisa und den anderen. »Wir haben bisher hundertsiebenundzwanzig Tote. Alle vergiftet. In Diwata läuft ein Massenmörder herum!«
»Gott schütze uns«, stammelte Burgos.
»Nein!« Dr. Falke schüttelte wild den Kopf. »Wir sollten beten, daß wir diesen Mörder finden … bevor er sich etwas Neues ausdenkt …«
Dr. Falkes Vermutung bestätigte sich: Nur ein kleiner Teil der Plantage war durch das Gift
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