Dschungel-Gold
meinen Sie das, David?«
Tortosa atmete auf. Das Thema Tee war erledigt. Belisa ließ sich wegführen.
»Darf ich etwas vorschlagen?« fragte er.
»Bitte.«
»Wie wäre es, wenn wir zum Du übergehen würden? Es redet sich einfacher.«
Sie gab ihre Antwort nicht sofort, aber dann nickte sie wortlos.
»Siehst du …« er lächelte jungenhaft, »… das ist Gleichgewicht. Unsere Gedanken halten sich die Waage.«
»Woher willst du meine Gedanken kennen?«
»Ich lese sie in deinen Augen.«
Sie zog sich wieder nach hinten in den Schatten zurück.
»An was denke ich jetzt?« fragte sie.
»Du denkst: Ist das ein frecher Kerl!«
»Richtig!« rief sie bestimmt aus dem schützenden Schatten heraus. Tortosa grinste.
»Aber du denkst weiter …«
»Falsch!«
»Du denkst, mit diesem Mann könnte ich eine andere Seite meines Lebens entdecken.«
»Ganz, ganz falsch!«
»Belisa, Lügen bringen das Gleichgewicht durcheinander …«
»Ich lüge nicht!«
»Hast du noch nie einen Mann geliebt?«
»Das geht dich einen Dreck an!« rief sie grob.
»Also nicht.«
»Und wenn ich sage, daß ich in Davao hundert Männer gehabt habe?«
»Dann glaubt dir das keiner. Denn dann hättest du keine Angst.«
»Ich habe keine Angst! Nie! Ich kenne keine Angst! Angst wovor?«
»Angst vor dem Gefühl. Man kann alles und jeden belügen, nur nicht sein eigenes Gefühl.« Plötzlich schnellte Tortosa vor, griff Belisa an der Schulter, zog sie an sich, riß an den Haaren ihren Kopf nach hinten und küßte sie. Das alles geschah so schnell und so überraschend, daß sie an keine Gegenwehr dachte; sie hing in seiner umklammernden Umarmung, spürte seinen Leib, roch seinen Schweiß, genoß seine saugenden Lippen, ja, sie genoß es, und erwiderte den Druck seiner Lenden und sein spürbares Begehren.
Aber es war nur ein Augenblick, nur der Moment der Überrumpelung, ein paar Sekunden der Auflösung … dann stieß sie ihre Fäuste in Tortosas Gesicht, befreite sich aus seinen Armen, hob das Knie, um ihn ins Geschlecht zu treten, traf aber nur seinen Oberschenkel, weil er sich reflexartig drehte, und rannte dann aus der Hütte. Hinter sich hörte sie noch, wie Tortosa rief:
»Warum läufst du weg?! Du willst doch wie ich ficken …«
Sie war draußen. Draußen bei den vier Leibwächtern, die immer in ihrer Nähe waren, immer bereit, einzugreifen. Es wäre nur ein Wink nötig gewesen, und sie hätten Tortosa erschossen, aber Belisa gab diesen Befehl nicht … sie lief davon in ihre Hütte, warf sich dort auf die dreckige Matratze, grub das Gesicht in ein Federkissen und weinte. Ab und zu trommelte sie mit den Fäusten auf das Bett, aber es half nichts. Der Mann, den sie zu lieben begann, hatte sie wie eine Hure behandelt. Aber auch eine Hure hat ihre Ehre, wenn sie wirklich liebt. Tortosa hatte ein Stück ihrer Seele zerstört.
An diesem Abend, es war schon sehr spät und Dr. Falke wollte gerade zu Bett gehen, erschien Tortosa im Krankenhaus. Er wunderte sich im stillen, daß er den Weg bis zum Spital unbehelligt hatte gehen können.
»Sie?« fragte Dr. Falke erstaunt. »Was ist denn los, David?«
»Ich hätte eine Bitte, Doktor«, sagte Tortosa. Er gab sich alle Mühe, Haltung zu bewahren.
»Fühlen Sie sich krank? Wo klappert's?«
»Ich möchte Sie bitten, einen Brief weiterzubefördern. Einen Brief an meine Eltern und … und an eine Frau, die nicht einsehen will, daß ich kein Ehemann sein kann.«
»Kommen Sie rein, David, setzen Sie sich, trinken Sie einen Whiskey, und was immer auch los ist: Beruhigen Sie sich.«
»Sie sehen, ich bin ganz ruhig.« Tortosa kam ins Zimmer, setzte sich und holte ein Kuvert aus der Jackentasche. Dr. Falke goß den Whiskey ein.
»Was ist passiert?« fragte er dabei.
»Ich kann mein Leben in Stunden abzählen.«
»Ist jemand Ihren Teemischungen zum Opfer gefallen?«
»Wenn es das wäre …« Tortosa winkte lässig ab. »Darum würde sich niemand kümmern. Ein Toter mehr in Diwata fällt nicht auf. Nein, es geht um eine Ehrenangelegenheit.«
»Wie soll ich das verstehen? In welcher Ecke versteckt sich in Diwata die Ehre?«
»Ich möchte keine näheren Erklärungen geben.« Tortosa zeigte auf den Brief. »Werden Sie ihn befördern, Doktor? Früher oder später wird man mich finden … erschossen, erstochen, aufgehängt, aufgeschlitzt, geköpft, was weiß ich, was man mit mir vorhat? Tun Sie mir den Gefallen … auch wenn Sie mich zur Hölle wünschen, ich weiß es.«
»Wer bedroht
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