Dschungel-Gold
Sie?«
»Keine Fragen mehr, Doktor.« Tortosa trank den Whiskey aus. »Danke für den Drink … war vielleicht der letzte.«
»So eilig haben Sie's zu sterben?«
»Ich nicht … aber ich kenne meine Gegner. Doktor, ich habe eine große Dummheit begangen, eine selbstmörderische Dummheit, aber ich konnte in diesem Augenblick nicht anders. Vernunft ist ein Harlekin, er tanzt auf unserer Nase herum. Eine Minute Unvernunft, und es kostet das Leben.«
Dr. Falke beugte sich zu Tortosa vor. »Das klingt, als ob eine Frau im Spiel ist«, sagte er.
»Vergessen sie es. Denken Sie nur an den Brief an meine Eltern, wenn es passiert … Nein, nein Doktor, keine weiteren Worte … Sie können mich nicht schützen.«
»Sie leben jetzt also mit dem Tod in der Tasche?!«
»So ähnlich … wenn ich mich nicht täusche.«
»Täusche?« Dr. Falke umfaßte Tortosas Schultern. »Es gibt also eine Hoffnung?«
»Es gibt im Leben immer eine Hoffnung. Es ist schon vorgekommen, daß ein Fallbeil klemmt. Nur – hingerichtet wurde dann beim zweiten Anlauf. Man entgeht dem Schicksal nicht.« Tortosa erhob sich und ging zur Tür. Den Brief an seine Eltern ließ er auf dem Tisch liegen. Bevor er die Tür öffnete, drehte er sich noch einmal um. »Ach ja, da ist noch etwas. Haben Sie eine amerikanische Fahne hier?«
»Nein.«
»Schade. Ich hätte Sie sonst gebeten, mich in die Flagge einzurollen und mich als amerikanischen Offizier zu begraben. Aber Avila kann zwölf Soldaten Salut schießen lassen. Gute Nacht, Doktor … und vielen Dank.«
Tortosa überlebte diese Nacht. Auch die nächste und die übernächste. Er wunderte sich sehr. Warum befahl Belisa nicht seinen Tod?
Er hätte in diesen Tagen mehrmals die Gelegenheit gehabt, mit einem der Transportflugzeuge Diwata zu verlassen. Dr. Falke konnte ihn nicht überreden. Tortosa blieb.
Er war Offizier und hatte einen Befehl auszuführen.
Nichts geschah.
Kein Überfall, kein Niederknüppeln, kein Tod aus dem Hinterhalt. Tortosa wußte dafür keine Erklärung, und als eines Abends Carlos erschien und einen Tee gegen ›Dauerpissen‹, wie er seine Beschwerden bezeichnete, verlangte, war sich Tortosa sicher, daß Belisa den Vorfall in sich begraben hatte und nur darauf wartete, die richtige Zeit für ihre Rache abzuwarten.
Einer neuen Begegnung ging Tortosa aus dem Weg. Er verließ seine Hütte nur noch, um im Dschungel neue Kräuter und Wurzeln zu rupfen. Dabei sicherte er sich nach allen Seiten ab, er hatte seine Pistole immer schußbereit im Gürtel und reagierte auf jedes Rascheln im Busch mit blitzschnellen Bewegungen. Das hatte er auf der Militärakademie gelernt, bei der Sonderausbildung im Nahkampf, die so gnadenlos gewesen war, als ginge es um einen Ernstfall. Den einzigen Spaziergang, den er sich in Diwata noch gönnte, war der Weg aus seiner Behausung bis zum Lazarett. Es waren nur sechshundertfünfzig Meter, aber es waren Meter auf einer Todesstraße.
Auf der Baustelle herrschte Trubel.
Nachdem es sicher war, daß ein Dekret von Präsident Fidel Ramos den Familien Toledo und García den Besitz des Diwata-Berges garantierte, konnte das Projekt Schwimmbad-Sportstadion-Restaurant-Freizeitpark realisiert werden.
Vier ehemalige Architekten und Ingenieure hatten die Pläne gemeinsam mit Antonio Pérez entworfen. Da es im Dschungel keine Bauämter und damit auch keine Beamten gab, die endlos prüften, konnte der Bau sofort begonnen werden. Man hatte dazu einen ebenen Platz innerhalb von Diwata ausgesucht, ein sehr gutes Grundstück, das natürlich mit Hütten zugebaut war, aber das war kein Hindernis. Bürgermeister Miguel ordnete an: »Die Hütten verschwinden!«, und ein paar Tage später rückten die Baukolonnen an und rissen die Hütten nieder. Die Bewohner wurden umquartiert, und es gab keine Diskussionen oder gar Proteste: Avilas Truppe umzingelte die Baustelle und sorgte für einen reibungslosen Umzug in neue, am Rande der Stadt errichtete Holzhütten. Wer dennoch Fragen stellte, landete im Krankenhaus bei Dr. Falke, mit eingeschlagenen Zähnen, Nasenbein- oder Oberkieferbrüchen. Damit überzeugte man jeden, daß die neuen Hütten besser seien als die alten. Was übrigens auch stimmte. Von da ab rollte eine Transportmaschine nach der anderen über die schmale Flugpiste und brachte Baumaterial. Vier Lastwagenkolonnen quälten sich über die einzige, enge, sumpfige Dschungelstraße nach Diwata … fünf Tage lang ein Kampf um jeden Meter.
Der Transportleiter der ersten
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