Dschungel-Gold
…«
»Dann wären Sie ein Mörder … denn Tortosa würde keinen Tag mehr überleben! Man würde ihn in Stücke reißen. Carlos würde ihn mit seiner Faust in die Erde rammen wie einen Holzpflock! Oder im Scheißesee ersäufen. Natürlich wären Sie fein raus, Sie hätten Tortosa nicht berührt – aber moralisch wären Sie sein Mörder. Könnten Sie das schlucken? Könnten Sie damit leben? Blei auf dem Gewissen wegen einer Frau! Wie wollen Sie das aushalten? Gerade Sie!«
»Ich soll also ruhig zusehen, wie er sie vögelt?«
»Man wird Sie kaum als Zeugen einladen.«
»Ich könnte daran zerbrechen.«
»Sie nicht! Betrachten Sie sich als Kranken, der ab und zu Wahnvorstellungen hat, und heilen Sie sich selbst. Stellen Sie sich vor den Spiegel, rufen Sie sich täglich zu: Ich bin ein Idiot! Früher oder später hilft das. Sich anzuschreien ist die beste Therapie, sagen die Psychologen. Die gehen mit ihren Patienten in den Wald und sagen: So, und nun schreie, schreie, schreie und schlag um dich … und es hilft!«
»Ich kenne diese ›Befreiungstherapie‹ … wissen Sie denn, wie oft ich in den vergangenen Jahren geschrien habe?«
»Das hast du wirklich?« Pater Burgos, der gar nicht merkte, daß er zum Du übergegangen war, legte den Arm um Dr. Falke. Er spürte, wie der Freund innerlich zitterte. Wo war die rätselhafte Stärke dieses Mannes geblieben? Diese Überlegenheit, mit der er das Leben in Diwata ertrug? Diese innere Kraft, die auf jeden ausstrahlte, der ihm in die Augen blickte. Zerbrach das alles an Belisa García? An einem Mädchen, das wie ein Engel aussah und wie ein Teufel sprach? An einer Frau, die sich mit jedem Atemzug vergoldete?
Er zog Dr. Falke noch enger an sich und strich über sein Haar, als segne er ihn, was vermessen gewesen wäre.
»Wir müssen da durch, Peter«, sagte er fast zärtlich. »Und wir schaffen es. Und außerdem: Wir brüten ungelegte Eier aus! Wir wissen gar nichts. Wir vermuten bloß. Wir stellen uns vor, daß David es fertig kriegt, Belisa auf die Matratze zu legen. Wir stellen uns das vor … aber wir wissen gar nichts! Wir ziehen uns einen Verdacht über wie ein Nesselhemd! Du verbrennst in einer imaginären Flamme. Warten wir die Entwicklung doch erst mal ab.«
»Dann ist es zu spät!« Dr. Falke befreite sich aus Burgos' Umarmung. »Ich will die Entwicklung verhindern!«
»Das kannst du nicht … es sei denn, du kriegst Belisa früher ins Bett als Tortosa.« Pater Burgos winkte ab. »Aber dieses Wettrennen verlierst du. Du bist nur ein Arzt … und kein Wunderheiler. Wunder kommen bei Frauen immer an …«
Auch an diesem Abend saß Belisa wieder in Tortosas elender Hütte und sah zu, wie er seine ›Patienten‹ behandelte. Sie hockte ganz hinten in einer dunklen Ecke auf einem hölzernen Schemel und rührte sich nicht. Sie war wie ein Schatten.
Die Kranken kamen in Scharen, Tortosa hörte sich geduldig ihre Leidensgeschichten an, griff dann in verschiedene Büchsen mit getrockneten Kräutern und mischte den Tee, kassierte ein paar Pesos und zeigte ganz nebenbei zwei Bilder von Suffolk. Eines, wie er in den USA ausgesehen hatte, eines wie er jetzt aussehen könnte, mit Bart und anderer Frisur. Aber keiner erkannte ihn wieder. Immer nur Kopfschütteln. Doch Tortosa ließ nicht locker, er fragte Tag um Tag, mit einer unendlichen Geduld.
An diesem Abend war es etwas ruhiger. Als der letzte wartende Patient bedient war, rührte sich Belisa in der Schattenecke.
»Wo haben Sie das gelernt?« fragte sie.
»Was?«
»Das Teemischen.«
»Von meiner Großmutter.«
»Großmutter?« fragte sie verblüfft.
»Meine Großeltern hatten eine Farm. In den Südstaaten. In Mississippi. Eine schöne Farm mit über zweihundert schwarzen Arbeitern. Ehemalige Sklaven waren ihre Urgroßväter … aber die Nachkommen blieben bei meinen Vorfahren.« Die Lügen gingen Tortosa prächtig von den Lippen. »Diese Neger hatten sogar ihre alte Kultur gerettet und besaßen einen eigenen Zauberer. Einen Voodoo-Priester. Von ihm bekam meine Großmutter die Rezepte für die verschiedenen Tees, und ich habe sie praktisch geerbt.«
»Wachsen denn auf Mindanao die gleichen Kräuter wie in Amerika?«
»Ähnliche …« wich Tortosa aus. Das Thema mußte gewechselt werden, sonst würde es gefährlich. Belisa war keine dumme Allesgläubige. »Es kommt immer auf die Zusammensetzung an. Auf das Gleichgewicht, wie bei allem im Leben. Auch der Mensch ist eingebunden in ein Gleichgewicht.«
»Wie
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