Dschungel-Gold
überzeugt, Mrs. García«, sagte er. »Nun müssen Sie die Versprechungen erfüllen.«
»Wir werden den Umsatz verdoppeln – das verspreche ich.«
»Und Ihre angekündigten sozialen Reformen?«
»Schritt für Schritt.«
»Wann?«
»Ich habe nie eine Zeitangabe gemacht. Ich habe Pläne vorgestellt.«
»Sage ich es nicht: die geborene Politikerin!« Dr. Falke lachte kurz auf. »Bravo! Ich gratuliere.«
»Sie haben keinen Grund, spöttisch zu sein, Doktor.« Belisa baute sich vor Dr. Falke auf. Sie war zwei Köpfe kleiner als er, reichte bis an seinen Brustkorb, aber ihre Energie war wie eine Strahlung, die er auf seiner Haut spürte. »Bei Ihnen fange ich an. Ihr Elendslazarett wird abgerissen. Wir bauen ein festes Haus mit hygienischen Bedingungen. Und in das Lazarett wird eine Kirche integriert.«
»Danke«, sagte Pater Burgos schlicht. »Danke.«
»Ein richtiges Krankenhaus?« fragte Dr. Falke ungläubig. Der Gedanke war zu phantastisch.
»Ja.«
»Ahnen Sie, was das kostet?«
»Der Berg bezahlt es.«
»Herr Toledo zählt jeden Peso.«
»Herr Toledo bin jetzt ich! Mein Wort gilt hier!«
»Unbeschränkt?« Dr. Falke wiegte den Kopf.
»Unbeschränkt. Ja!«
»Sie vergessen die Zentralverwaltung in Davao. Dort regieren die Computer.«
»Die Zentralverwaltung hört auch auf mein Wort. Ich habe von Juan Perón Toledo eine Generalvollmacht. Genügt das nicht?«
Sie standen sich gegenüber wie zwei Kampfhähne, bevor sie sich aufeinander stürzen. Sie wußten nicht, warum – aber vom ersten Blick an mochten sie sich nicht.
»In Diwata ist es immer nur um Gold gegangen, nie um Menschlichkeit«, sagte Dr. Falke.
»Wer sagt, daß das anders wird?« Belisa warf den Kopf in den Nacken. Ihre schwarzen Augen blitzten Dr. Falke an. »Ich brauche ein gutes Lazarett, um die Arbeitskraft zu steigern. Ich kann keine Kranken und Lahmen gebrauchen, die den Arbeitsablauf behindern. Die Arbeit muß fließen. Verstehen wir uns?«
»Ich glaube ja.« Bitterkeit schwang in Dr. Falkes Worten mit. »Sie wollen das Prinzip sowjetischer Straflager einführen. Der Mensch als Maschine. Und ich soll die Maschinen reparieren.«
»Oder auf dem Schrottplatz abladen!« fiel Ramos ein.
»Und Sie glauben, Mrs. García, daß ich das mitmache?«
»Ja!« antwortete sie trotzig.
»Und warum sollte ich?«
»Weil Sie ein Idealist geblieben sind. So etwas knetet man zurecht wie Lehm und formt die Figur, die man haben will.«
»Sie machen mir Angst …« sagte Dr. Falke leise.
»Das will ich auch. Angst ist ein Motor, der von allein läuft …«
Draußen verteilte sich die Menge. Die meisten waren zufrieden mit dem, was sie gehört hatten. Die Huren verschwanden aus den Fenstern. Morales öffnete sein Bordell wieder. Sofort bildete sich eine Schlange von Wartenden. Wie hatte Belisa García, der neue Boß, gesagt? Es kommen auch mehr Huren nach Diwata. Es schienen bessere Zeiten anzubrechen.
Mehr Huren, mehr Umsatz im Puff. Mit dreißig Prozent war Juan Perón Toledo an jedem Stich beteiligt, in Diwata steckte Gold überall. In jeder Bierflasche, in jeder Schnapspulle. In jedem Nudelpaket. Alles, was in den Magazinen verkauft wurde, war aus Davao angeliefert worden. Von einem Großhandel, der Toledo gehörte. So kamen die Pesos, die er auszahlte, zu ihm zurück.
Die Stimmung in den Slums war gelöst und entspannt. In den Kneipen überwog die Fröhlichkeit.
Eine tolle Frau, diese kleine Belisa García.
Endlich werden wir nicht mehr Minensklaven sein. Wir sollen wie Menschen behandelt werden. Es soll uns allen besser gehen.
Jungs, tut der Dalagáng den Gefallen. Besuchen wir am Sonntag den Gottesdienst. Sie soll sehen, daß wir auf sie hoffen.
Es war ein Tag, an dem es in Diwata keine Messerstechereien gab. Keinen Toten. Nur Besoffene.
Die ›Neue Zeit‹ begann damit, daß ein Bautrupp im Eilverfahren die bisherige Hütte abriß, in der Rogelio Sotto die Goldsäckchen gewogen hatte, und an der gleichen Stelle eine genauso armselige Behausung errichtete. Nur bestand der Neubau diesmal aus Holzbrettern und einem Wellblechdach, einer dicken Bohlentür und einer elektrischen Lampe, die nackt von der Decke hing. Eine Fassung mit einer Hundert-Watt-Birne. In einer Ecke stand ein Bett aus dem Lazarett, als Kleiderschrank dienten Nägel in den Wänden, eine vergammelte Holztruhe, die immerhin ein funktionierendes Schloß besaß und die Ramos aus seinem Zimmer zur Verfügung gestellt hatte, nahm intimere Wäsche und die ganz
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