Dschungel-Gold
weggetragen. Aber seit Pater Burgos in Diwata war, begrub man die Toten nicht irgendwo im Dschungel, in Felsspalten, man warf sie nicht mehr einfach in den ›Scheißesee‹. Der Pater hatte einen Friedhof eingerichtet. Am Rande der Hüttenstadt, in einem grünen Tal des Bergmassivs. Auf steinigem Boden, den man nur einen halben Meter tief graben konnte, dann kam blanker Fels. Aber es genügte. Man legte die Leichen in die Kuhlen, häufte Steine darüber und verschmierte die Fugen mit Lehm. Ein fester Grabhügel für die Ewigkeit. Steine gab es genug.
Am Abend wartete Dr. Falke am Hubschrauber auf den Flug nach Davao. Er konnte noch nicht begreifen, daß Belisa ihn in die Hauptstadt fliegen ließ, um dort für sein Lazarett einzukaufen. Es war seit drei Jahren das erstemal, daß er Diwata verlassen konnte.
Aber es erwartete ihn noch eine Überraschung.
Kurz vor dem Abflug, Dr. Falke und der Pilot saßen schon in der Maschine, raste einer der gepanzerten Jeeps auf den kleinen Landeplatz. Belisa sprang heraus, begleitet von Carlos, und rannte auf den Helikopter zu. In der Hand schleppte sie einen prall gefüllten Ledersack: die Goldausbeute des Tages. Früher hatte meist der Vorarbeiter Sotto das Gold nach Davao gebracht, manchmal auch Ramos selbst. Es war ein Gesetz von Toledo: Jeden Abend wird das Gold ausgeflogen. Es bleibt keine vierundzwanzig Stunden in Diwata.
Der Pilot öffnete die Tür, Belisa kletterte in die Maschine und setzte sich neben Dr. Falke. Sie winkte Carlos hinunter und sagte befehlend:
»Fliegen Sie los! Wir sind komplett.«
Die Motoren brüllten auf. Vom Wind der Rotorblätter wurde Carlos fast umgerissen. Belisa warf den Goldsack hinter sich auf die Gepäckablage. Dr. Falke wollte ihr dabei helfen, es war ein schwerer Sack, aber sie stieß seine Hand beiseite.
»Verzeihung«, sagte er. »Ich vergaß: Sie hassen Höflichkeit.«
Sie blitzte ihn an, sah zur Seite aus dem Fenster und starrte auf die Slums, die jetzt unter ihr auftauchten.
Die Hütten. Die Mine. Die Schächte. Tausende Gestalten, die auf gekrümmten Rücken Säcke schleppten. Ein Ameisenheer. Ein fließender Strom aus Leibern.
Dr. Falke lehnte sich zurück.
»Das ist ein Anblick, der Ihr Herz höher schlagen läßt!« sagte er.
»Es jubelt!« fauchte sie zurück.
»Darf man fragen, wieviel der Sack hinter uns wert ist?«
»Ungefähr achtzigtausend Dollar.«
»Das sind im Monat zwei Millionen vierhunderttausend Dollar. Im Jahr achtundzwanzig Millionen achthunderttausend Dollar.«
»Sie sind ein schneller Rechner. Ich auch.«
»Mit diesen Zahlen können Sie zufrieden sein.«
»Ich bin nicht zufrieden. Ich bin nie zufrieden. Es müßte doppelt so viel sein.«
»Das ist Ihr Ziel. Ich weiß.«
»Sie irren, Doktor! Mein Ziel ist größer … viel größer!« Sie sah ihn kurz an. Unter ihnen breitete sich der Urwald aus. Undurchdringlich. Ein grünes Meer wogender Baumwipfel. Dazwischen glitzernde, schmale Bänder. Flußläufe, auf denen noch kein Mensch gefahren war. Unberührtes Land. Aber wie lange noch? Von allen Seiten fraß sich die Zerstörung voran. Man nannte das Erschließung.
»Macht Reichtum glücklich?« fragte Dr. Falke.
»Wollen Sie philosophieren? Ich möchte reich sein. Sehr reich. In einem Palast wohnen …«
»Gebaut aus den Knochen Ihrer Goldsklaven.«
»Warum werfen Sie mir das vor? Warum greifen Sie mich an? Ist Kapitalismus nicht immer auf Arbeiterknochen gegründet? Die Großindustrie, ihre Aktionäre … wer schaufelt ihnen das Geld in die Taschen? Millionen von Arbeitern, die für sie schuften. Die große graue Masse des Volkes. Gesichtslose Wesen in den Augen der Kassierer. Figuren, mit denen man spielen kann, die man hin und her schiebt, die man entläßt, wenn der Jahresbericht nicht glänzt, wenn die Aktien sinken, wenn gespart werden muß. Aber wer muß sparen? Die Gesichtslosen, die man auf die Straße setzt. Die wegrationalisiert werden, um die Aktienkurse in die Höhe zu treiben. Starren Sie mich nicht so an, Doktor. Das habe ich bei der Bank gelernt. Die Banken regieren die Welt, nicht die schlappen Politiker.«
»Sie reden wie eine glühende Kommunistin … und schwimmen im Geld. Auf diesem Polster läßt sich gut räkeln.«
»Sie begreifen gar nichts, Doktor.« Belisa riß sich von dem faszinierenden Anblick des Dschungels los. »Ich will unabhängig sein! Unabhängig von den Banken. Von allen Regierungen. Von allen politischen Ideologien. Ich will keinen fragen, ob ich etwas
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