Dschungel-Gold
Prunkboulevard. Rechts und links Tempel und zum Teil zweistöckige Häuser, mit geschnitzten Fassaden, Marmorverkleidungen, gepflegten Gärten ringsumher mit Sitzgruppen unter Bäumen und vor blühenden Sträuchern, steinernen oder gußeisernen Räucheraltären, von Rosen umrankten, schattigen Lauben … und immer wieder und in vielfältigen Variationen verschwenderischen Prunks gebaute Mausoleen, die eher kleinen Palästen als Gräbern glichen. Die Verwalter dieser Grabvillen saßen an diesem milden Abend im Garten, tranken Tee, spielten Mayong, rauchten lange, schlanke Zigarren und starrten dem Taxi nach, das um diese ungewöhnliche Zeit durch den Friedhof fuhr. Über allem lag das milde Licht von Hunderten zum Teil bemalten Laternen und versteckt im Schnitzwerk der Fassaden verborgenen Lichterketten.
»Ungeheuerlich«, sagte Dr. Falke begeistert. »Jeder dieser Totenpaläste muß teurer sein als bei uns eine Luxusvilla.«
Der Taxifahrer lehnte den Kopf nach hinten. »Das hier ist der Millionärsteil. Es gibt auch einen anderen Teil«, sagte er. »An der Mauer. Da liegen die armen Chinesen … in zubetonierten Löchern. Sie können sich kein eigenes Grabmal leisten, und nun liegen sie da in den Mauerlöchern wie in den Fächern einer Gepäckaufbewahrung. Aber sie sind glücklich: Sie warten auf ihre Auferstehung auf dem schönsten Friedhof der Welt.«
Sie fuhren vier Straßen durch den Friedhof, vorbei an taoistischen Tempeln, obeliskartigen Pagoden, mit Ornamentik überladenen chinesischen Häusern und nüchternen, supermodernen Betonbauten, deren glatte Flächen von kunstvollen Gemälden verschönt wurden, und hielten dann vor der breiten Toreinfahrt eines Baus, der im Stil einer kaiserlich-chinesischen Pagode gebaut war. Die Dächer waren übersät mit geschnitzten und vergoldeten Götterstatuen und den Glück und Frieden bringenden Phönixen. Der Driver drehte sich wieder zu Belisa und Dr. Falke herum.
»Das Grab des Wang Zhijian«, sagte er. »Vielleicht das schönste in der ganzen Friedhofsstadt. Da liegen jetzt drei Generationen drin.«
»Und bei denen sollen wir essen?« fragte Belisa.
»Sie werden keine Särge sehen.« Der Driver grinste breit. »Die stehen in einem Tempelanbau. Das hier ist das Gästehaus des Mr. Wang. Er hat viele Gäste, eine große Familie, und sie sollen würdig wohnen, wenn sie die Ahnen besuchen.«
Er fuhr weiter, durch das breite Tor in einen viereckigen Innenhof, an dem der Pagodenpalast lag. Der Boden des Innenhofes war mit italienischen Kacheln ausgelegt. Auf hellblauem Grund leuchtete eine Sonne. Kachel für Kachel … hunderte Sonnen. Symbol des Lebens für die unsterblichen Seelen.
Es war, als würde Herr Wang gleich in der mit vergoldeten Schnitzereien übersäten Eingangstür erscheinen. Statt dessen trat ein kleiner, hagerer Mann in das bewegte Licht der mit Seide bespannten Lampions.
»Das ist Jacinto Ferreras«, sagte der Taxifahrer. »Passen Sie auf … er betrügt jeden Gast.«
»Wir sind eingeladen.«
»Das ist gut.«
Seitlich im Innenhof, vor einer Garage im gleichen Pagodenstil wie das Haupthaus, stand ein silberner Rolls Royce. Dr. Falke nickte zu ihm hin.
»Unser Gastgeber ist schon da. Dem Wagen nach muß er gut verdienen.«
»Das ist nichts besonderes.« Belisa winkte ab. »Würde er einen kleineren Wagen fahren, bekäme er keinen Kredit mehr.«
Sie stiegen aus, aber als Belisa in ihre Handtasche griff, um den Fahrer zu bezahlen, winkte der herbeieilende Ferreras schon von weitem ab.
»Es ist alles bezahlt!« rief er. »Alles bezahlt!«
Belisa gab den Driver trotzdem zweihundert Pesos. Das ließ sein Gesicht glänzen, als habe er es mit Speck eingerieben.
»Du wartest hier!« sagte sie. »Du fährst uns zurück zum Hotel.«
»Warten? Hier? Miß, jede Stunde kostet …«
»Habe ich nach dem Preis gefragt?«
»Ich wollte nur darauf aufmerksam machen.«
»Wir könnten schnell wiederkommen …«
»Bei dem Essen bei Jacinto – das glaube ich nicht.«
»Was auch sei: Du wartest!«
»Wie Sie befehlen, Miß …«
Der Fahrer ging zurück zu seinem Wagen und setzte sich. Ferreras übernahm die Gäste. Er zelebrierte einige Verbeugungen, sagte höflich: »Welch ein schöner Abend. Genießen Sie den Vorzug, Gäste bei Wang Zhijian zu sein. Die Kunst meiner Köche wird Sie verwöhnen.«
Er sprach wie ein Chinese, obgleich er ein echter Philippino war, und trippelte auch wie ein Chinese vor ihnen her, riß die prunkvolle Tür auf und ließ sie in
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