Dschungel-Gold
und gehacktem Hummerfleisch. Dazu eine Soße aus dem Pulver fein gemahlener Erdnüsse und geröstetem Reis. Und darauf Bangus. Ein Fisch so zart, daß er auf dem Gaumen zerfließt. Er wird zu einem Drittel aufgeschnitten und ausgehöhlt und dann gefüllt mit zerkleinerten Karotten, Kartoffeln, Tomaten, Zwiebeln und Rosinen. Das Ganze wird im Ofen gebacken.« Jacinto holte tief Atem, als überwältige ihn die mündlich vorgetragene Speisekarte. »Sie können aber als Fischgang auch Lapu-Lapu wählen, einen gegrillten Seebarsch, dezent gewürzt mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und einer Sojasoße …«
»Den empfehle ich Ihnen.« Liborio schnalzte mit der Zunge. »Lapu-Lapu hat seinen Namen bekommen nach dem berühmten philippinischen Häuptling, der in einer Schlacht den spanischen Eroberer Ferdinand Magellan besiegte.«
»Ich weiß … Lapu-Lapu, unser erster Freiheitsheld.« Belisa lächelte verhalten. »Ich habe immerhin eine Schule besucht. Wer kennt Lapu-Lapu nicht.«
»Mrs. García …« Liborio war sehr verlegen geworden. »So war das nicht gemeint. Es sollte eine Erklärung für Dr. Falke sein. Jacinto, wir nehmen Lapu-Lapu …«
»Eine gute Wahl.« Ferreras deklamierte weiter die Speisekarte. »Nach dem Fisch schlage ich als Fleischgang vor: Kilawin – rohes, kleingeschnittenes, kurz angebratenes Rind, das in einer Soße aus Essig, Zwiebeln, Ingwer und Salz eingelegt wird. Ihm folgt dann Lechon! Ein knusprig gebratenes Spanferkelchen mit einer angedickten, ein wenig süßen Schweinelebersoße. Das Ferkel wird über einem Kokosschalenfeuer geröstet, der Kopf mit Äpfeln gefüllt.« Jacintos Stimme zitterte vor Ergriffenheit. »Diesen Lechon macht uns keiner nach. In ganz Manila nicht! Dazu servieren wir Atsara. Man nennt es das philippinische Sauerkraut … gekocht aus unreifen Papayas. Nach dem Lechon …«
»Stop!« Dr. Falke hob abwehrend beide Hände. »Wer soll das alles essen?«
Liborio winkte ab. »Die Toten«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Ein solches Festessen wird auch im Mausoleum an den Särgen serviert. Die Ahnen sollen teilhaben an den Freuden der Lebenden.«
»Und dann? Verschimmelt es dort?«
»Man sollte den Überfluß draußen vor der Mauer an die Slumbewohner verteilen«, sagte Belisa zu Dr. Falkes Verblüffung.
Liborio lachte kurz auf. »Genau das macht Jacinto. Gegen Mitternacht läßt er, was im Lokal übrigbleibt, vor die Mauer tragen. Er hofft so, daß man ihn verschont, wenn die Armen wirklich einmal den Friedhof stürmen sollten. Eine Art Lebensversicherung.«
Ferreras ging auf das Thema nicht ein. Er zählte weiter auf:
»Als Dessert schlage ich einen Becher Halo-Halo vor … das sind geraspelte und kleingeschnittene Früchte, Mais, Haferflocken, Kokosnuß, eingebettet in zerstoßenem Eis und übergossen mit Kokosmilch, garniert mit karamelisierten Bananen und gewürzt mit einem Schluck Rum. Zum Schluß Búlalo … eine kräftige chinesische Gemüse- und Nudelsuppe mit Rindsknie und Knochenmark, pikant gewürzt …«
»Ich falle um!« sagte Dr. Falke.
»Sie wissen«, Liborio lächelte verzeihend, »der Chinese beendet ein gutes Mahl immer mit einer Suppe. Die Suppe ist die Krönung. Die Visitenkarte. Jacintos Búlalo ist eine Offenbarung …«
»Kann ich anfangen?« Ferreras verbeugte sich wieder.
»Und was trinken wir?« fragte Liborio.
»Zu Vorspeise und Fisch einen delikaten Palmwein, zum Fleisch einen Cabernet aus Australien, als Digestif einen Otard, fünfundzwanzig Jahre alt, und einen Cocktail aus Rum, Limonen, Kirschbrandy über zermahlenem Eis.«
»Sehr gut, Jacinto.« Liborio wedelte mit der rechten Hand. »Laß deine Träume kommen.«
Fruchtsäfte und eisgekühltes Wasser waren selbstverständlich … sie standen in Kristallkaraffen auf dem Tisch. Wie aus dem nichts, wie ein materialisierter Geist, stand plötzlich ein weiß gekleideter Kellner hinter ihnen und schüttete sofort Mangosaft in die geschliffenen Gläser. Die Stille in dem großen Saal, in dem nur sie saßen, hatte etwas Bedrückendes für Belisa. Auch Dr. Falke spürte diese gewollte Einsamkeit … man saß in einem Luxusrestaurant, und doch in einem Grab. Landro Liborio schien bei der Wahl dieses Lokals eine dumpfe Vorahnung gehabt zu haben.
»Wie geht es meinem Freund Juan Perón?« fragte er.
»Sehr gut. Mein Schwager ist glücklich. Er hat sich eine Villa an der Côte d'Azur gekauft und will an der Riviera bleiben.« Sie nahm einen Schluck Fruchtsaft. »Von Diwata hat er die Nase
Weitere Kostenlose Bücher