Dschungel-Gold
voll.«
»Ein wenig undankbar. Der Berg hat ihn reich gemacht.« Liborio lehnte sich in dem aus Eisenholz geschnitzten chinesischen Sessel zurück. »Und nun hat er Ihnen alles an den Hals gehängt?«
»Ja, ich habe den Berg übernommen. Und deshalb bin ich jetzt hier …«
»Das habe ich mir gedacht. Ihr Schwager und ich arbeiten seit über zwanzig Jahren zusammen. Wir sind zusammen aufgestiegen, wir sind gemeinsam reich geworden, wir sind wie Brüder. Das Gold hat uns geprägt …«
»Das Gold!« Belisa nahm wieder einen Schluck Saft. »Sie sind der größte Goldhändler der Philippinen. Sie haben durch meinen Schwager Millionen Dollar verdient … und ich hoffe …«
Dr. Falke griff nach seinem Glas und umklammerte es. Jetzt geht es los! Der erste Trompetenstoß zur Schlacht ist getan. Der Sturm kann beginnen. Wer greift jetzt an?
»Wir leben in einer Zeit, die sich rasend schnell verändert. Was gestern gültig war, wird heute angezweifelt und ist morgen schon überholt.«
»Das haben Sie gut gesagt, Mrs. García.« Liborio betrachtete wohlwollend die Talaba, die in Essig und Knoblauch eingelegten rohen Austern. Der Duft war verführerisch, das Austernfleisch rosa und ziemlich üppig. So große Austern gibt es in Frankreich nicht, dachte Dr. Falke. Der weißlivrierte Kellner goß lautlos den hellen, zartgelben Palmwein ein. »Aber das Gold – gelobt sei Gott – ist krisenfest. Auch wenn die Russen neuerdings auf den Markt drängen. Sie sollen im tiefsten Sibirien große Goldvorräte entdeckt haben. Aber keine Sorge – es ist wie bei den Diamanten. Auch die Diamantenvorkommen in Rußland sind enorm, aber man kann sie fast nur als Industriediamanten verwerten. Die Schmuckdiamanten – und die bringen das große Geld – bleiben weiter unter der Kontrolle von de Beers. Die Südafrikaner beherrschen den Markt. Bei Gold pendelt sich das ein. Natürlich wird der Goldpreis etwas fallen …«
Das war der erste Schlag. Dr. Falke sah zu Belisa hinüber – sie ertrug ihn ohne sichtbare Wirkung. Ihre Antwort wurde zum Gegenschlag:
»Das Diwata-Gold ist eine Ausnahme.«
Liborio gabelte die erste Auster in seinen Mund. »Gold ist Gold«, sagte er danach und trank einen Schluck Palmwein. »Köstlich diese Austern. Und Jacintos Palmwein … exzellent!«
»Gold ist nicht Gold.« Belisa rührte die Austern nicht an. Das glitschige Fleisch weckte Ekel in ihr. »Das Diwata-Gold ist zehn Prozent teurer geworden.«
Liborio schüttelte den Kopf, schlürfte die letzte Auster und tupfte sich die Lippen mit der weißen Damastserviette ab. Dr. Falke schob seinen leeren Teller zurück. Sofort stürzte der Kellner heran und servierte ab.
»Den Goldpreis diktiert der Markt, nicht Diwata«, sagte Liborio. »Und der Markt ist gegenwärtig satt, die Wirtschaftslage in Südostasien verschlechtert sich, die Juweliere in Hongkong, Bangkok, Seoul, Tokio und auch in Manila senken die Preise, ganz schlimm ist es in Indonesien …«
»Sie haben bisher bei meinem Schwager immer unter Preis eingekauft.« Belisa schwieg einen Augenblick. Der Kinilaw wurde gebracht, in einer Marinade, die einem Kunstwerk gleichzustellen war. »Sie haben meinem Schwager zwanzig Jahre lang erzählt, was Sie jetzt mir erzählen. Und er hat Ihnen geglaubt. Sie waren ja sein Freund. Sie haben zwanzig Jahre lang zu wenig bezahlt.«
»Sie sagen da Dinge, Mrs. García, die mich beleidigen könnten!«
»Ich habe Beweise! Ich habe alle Verkäufe der letzten zehn Jahre durchgerechnet, ich habe herausgelesen, daß Sie in den letzten fünf Jahren, bevor ich kam, mit dem Halunken Ramos zusammengearbeitet haben! Ich kann beweisen, daß Sie Toledo immer falsche Zahlen genannt haben.«
Liborio stocherte in dem köstlichen Kinilaw herum. Sein Gesicht hatte sich verändert. Es war hart geworden, kantig, mit geröteter Haut überspannt.
»Wen interessieren Beweise?« sagte er mit ruhiger Stimme. »Wen?«
»Mich!«
»Freundschaften und Geschäfte sind zwei feindliche Brüder. Das müssen Sie noch lernen, Mrs. García.«
»Ich bin bereits soweit, daß ich eine Diplomprüfung ablegen könnte. Sie geben also zu, meinen Schwager betrogen zu haben?«
»Ich habe meine unternehmerischen Interessen wahrgenommen …«
»Das ist doch dasselbe!«
Der Kellner brachte die zartbraun gebackenen Frühlingsrollen Lumpia Shanghai. Der Duft des gewürzten Gemüses und des mit Erdnußpulver überstäubten Hummers war wie ein herbes Parfüm. Liborio schob zwei Frühlingsrollen auf
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