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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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eine Schlange rausgeworfen werden müsste, könnten wir es bestimmt allein schaffen. Sehr zufrieden mit mir selbst und zugleich mit einem tiefen Gefühl der Geborgenheit lief ich nach draußen, um ein morgendliches Bad im Fluss zu nehmen.

Der erste Krieg
    E twa drei Monate nach unserer Ankunft bei den Fayu passierte es dann. Wir hatten bemerkt, dass die Kinder manchmal vor etwas Angst hatten, wussten aber nicht, wovor.
    Eigentlich – und das freute uns so sehr – hatten sie seit geraumer Zeit immer mehr Spaß daran gehabt, an unseren Spielen teilzunehmen, auch wenn sie zwischendurch oft angsterfüllt umherschauten. Dies geschah meist, wenn benachbarte Fayu ins Dorf kamen, entweder in einem Kanu oder direkt aus dem Urwald. Nun aber, an diesem Tag, war es wieder wie in den Anfangszeiten: Die Kinder hörten ganz auf zu spielen und saßen entweder mit dem Rücken an einen Baum gelehnt oder hielten sich in der Nähe ihrer Eltern auf.
    An jenem schicksalhaften Tag bemerkte ich plötzlich eine ganze Gruppe von Fayu, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Sie waren mit zwei Kanus gekommen, und das Ungewöhnliche an dieser Gruppe war, dass sie nur aus Männern bestand.
    Ich hatte gerade mit Christian, Tuare und Bebe draußen beim Feuer gesessen; wir aßen
Kwa,
die Brotfrucht. Direkt vor unserem Haus stand ein Brotfruchtbaum, von dem uns die geschicktesten Kletterer unter den jungen Fayu-Männern oft die runden Früchte pflückten. Die
Kwa
ist ungefähr so groß wie eine Honigmelone. Sie ist dunkelgrün, hat viele kleine Noppen auf der Haut und schmeckt wie eine Mischung aus Brot und Kartoffeln. Wir legten die Früchte direkt in die Flammen und warteten geduldig darauf, dass sie außen ganz schwarz wurden, ein Zeichen dafür, dass man sie jetzt essen konnte. Tuare nahm eine aus dem Feuer, trat mit seinem nackten Fuß auf die noch qualmende Schale und quetschte sie, bis sie aufbrach. Das Innere besteht aus einer weichen beigen, faserigen Substanz, die nussförmige braune Kugeln umhüllt. Wir nahmen die Kugeln heraus, schälten sie und aßen das Innere mit großem Genuss.
    Gerade hatten wir unsere zweite
Kwa
verspeist, als plötzlich die beiden Kanus erschienen. Die Eingeborenen um mich herum wurden nervös. Tuare und Bebe bekamen Angst und verschwanden mit den Frauen und den anderen Kindern im dichten Urwald.
    Christian und ich jedoch blieben am Feuer sitzen. Schließlich gab es nicht alle Tage so viel Aufregung!
    Die Fayu-Männer unseres Dorfes, die ihre Pfeile und Bogen immer bei sich trugen oder in greifbarer Nähe hatten, versammelten sich. Das Boot landete, und die Unbekannten stiegen aus. Wir betrachteten sie mit kindlicher Neugier. Wild und finster sahen sie aus und waren von oben bis unten geschmückt. Ihre starren Blicke trafen uns, keiner lächelte oder rieb unsere Stirn zur Begrüßung, wie viele andere es vorher getan hatten und wie es sonst üblich war. Mir wurde ein wenig mulmig … diese Situation kannte ich noch nicht.
    Papa kam aus dem Haus, um die Neulinge zu begrüßen. Er überreichte ihnen etliche Fischhaken und Seile als Begrüßungsgeschenk und versuchte, mit den wenigen Sprachkenntnissen, die er inzwischen erworben hatte, eine Unterhaltung anzufangen.
    Die erste Stunde verlief ruhig. Christian und ich entschieden uns, lieber schwimmen zu gehen. Doch während wir noch im Wasser waren, hörten wir die Stimmen vom Ufer immer lauter werden. Ich kletterte die Böschung hinauf, um zu sehen, was passierte. Die Fayu saßen und standen sich in zwei Gruppen gegenüber, die Männer unseres Dorfes in der einen, die Unbekannten in der anderen. Es war eindeutig, dass sie sich stritten; ihre feindlichen Mienen verrieten den Ernst der Lage. Alle Männer hielten ihren Bogen in der einen Hand, einen Pfeil in der anderen.
    Noch eine Stunde verging, die Atmosphäre war inzwischen zum Zerreißen gespannt. Aus dem Reden wurde aggressives Schreien. Kurz darauf rief Mama, wir sollten sofort ins Haus kommen, und wir beeilten uns, spürten, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Papa kam nach uns ins Haus und verriegelte sofort die Tür hinter sich. Christian und ich kletterten auf die Bank und schauten aus dem Fenster.
    Jetzt standen alle Fayu aufrecht voreinander. Ihre Stimmen hatten einen eigenartig hohen Klang. Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre von neuem – da war etwas, das ich nie zuvor oder jemals danach wieder gespürt habe. Am besten kann ich es mit den Worten
dunkel, schwer, bedrohlich
beschreiben: Es

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