DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
müssen«, erwiderte er. »Bitte, Mylady. Es ist nur zu Eurem Besten.«
»Das Beste hat schon vor einiger Zeit aufgehört, mich zu interessieren«, entgegnete sie, zeigte ein trauriges, hoffnungsvolles Lächeln und fügte hinzu: »Los, wir haben keine Zeit, um zu streiten. Lass uns hierin fest entschlossen sein.«
Giles betrachtete die Frau vor ihm. Etwas hatte sich in ihrem Verhalten verändert – und er hätte viel dafür gegeben, dieses »Etwas« zu entdecken. Leider war es zu spät. Er hob die Hände, die immer noch seine Rechte umklammerten, und drückte sie gegen seine Lippen.
»Es tut mir leid, Mylady.« Bei diesen Worten sprang er auf die Füße und flüchtete aus der grasbewachsenen Mulde. »Gott möge mit Euch sein.«
»Giles!« Sie machte einen Satz, um ihn zu festzuhalten, doch er war bereits auf und davon. Sie rutschte zum Rand der flachen Geländemulde, richtete sich auf und sah, wie er entlang der Hügelkuppe schnell rannte.
Der erste Reiter erreichte den Gipfel, hielt inne und blickte sich um. Er sah Giles, eilte ihm nach und schrie, während er sein Reittier mit Schlägen dazu antrieb, schneller zu laufen. Die anderen zwei Reiter tauchten einen Moment später auf, und als sie sahen, dass ihr Kamerad die Verfolgung aufgenommen hatte, schlossen sie sich der Hetzjagd an. Haven wartete nur einen Augenblick länger: Als sie erkannte, dass die Reiter sich entschieden hatten, Giles hinterherzueilen, erhob sie sich und flüchtete in die entgegengesetzte Richtung. Sie rannte so schnell sie konnte, allerdings verlangsamte das hohe Gras ihre Schritte.
Während sie lief, überflogen ihre Augen die Hügelkuppe, denn sie suchte nach einem weiteren Versteck. Das glatte Gefälle der baumlosen Hügel bot nichts dergleichen. Sie sauste über den Abhang mit den kleinen, sanften Erhebungen und wurde mit jedem flüchtigen Schritt verzweifelter. Dann riskierte sie einen Blick zurück auf die Verfolgungsjagd, die sich hinter ihr abspielte. Doch Giles und die Berittenen waren nicht mehr in Sichtweite. Sie war alleine auf dem Berghang – allerdings nicht lange.
Gerade als sie ihren Blick wandte und auf den Abhang vor ihr richtete, tauchte dort der Kopf eines Reiters auf, dem augenblicklich der Kopf und Hals seines Pferds folgten, und dann erschien der Rest des Tieres. Mit wild schlagendem Herzen warf Haven sich nach unten ins Gras und betete, dass er sie nicht gesehen hatte.
Es war ein Gebet, das in der Luft erstarb. Der Ruf des Reiters erreichte sie, gerade als sie auf den Boden fiel. Nur einen Moment lang lag sie im Gras, dann krabbelte sie hoch und flitzte davon. Diesmal rannte sie den Abhang hinunter, und ihre Füße flogen nur so dahin, da die Schwungkraft sie schneller und schneller trug.
Dennoch – das Pferd war schneller als sie, wie Haven nur zu gut wusste. Sie fasste einen einfachen Plan: Er bestand darin, ein wenig Distanz zwischen sich und den Verfolger zu bringen, sodass sie, wenn sie sich umdrehte, einen oder zwei Herzschläge haben würde, in denen sie sich für einen Schlag in Stellung bringen könnte.
Haven konnte hören, wie das Trommeln der Hufe sich ihr immer mehr näherte, und als nach ihrer Einschätzung der Moment gekommen war, hielt sie an und drehte sich direkt in den Weg des nahenden Tieres. Es erforderte jedes bisschen an Nervenstärke und ihr gesamtes Wissen über Pferde, um nicht von der Stelle zu weichen. Im allerletzten Augenblick sprang sie geschickt auf die linke Seite des Reiters, ergriff das Zaumzeug, als das Pferd vorbeiraste, und hielt es mit aller Kraft fest.
Der Schlag riss ihr beinahe den Arm aus der Gelenkpfanne, doch sie weigerte sich schlichtweg, das Zaumzeug loszulassen. Der Pferdekopf drehte sich zur Seite und nach unten. Der Rest des Tieres folgte seinem Kopf, und die sich heftig bewegenden Beine gerieten ins Straucheln. Das Pferd stürzte. Der Reiter wurde weit fortgeschleudert, als sein Tier auf die Seite rollte.
Blitzschnell packte Haven den leeren Sattel. Sie warf ihr Bein über den Rücken des Pferdes – die Zügel hielt sie immer noch in der Hand – und trieb das um sich tretende Tier dazu an, wieder auf die Hufe zu kommen. Das Tier gehorchte, erhob sich und brachte damit auch Haven nach oben. Sie trat es in die Flanken und schlug mit den Zügeln, um es anzutreiben, damit es weglief.
Das Pferd bäumte sich auf, und als es sie nicht abwerfen konnte, sprang es fort und nahm seinen rasenden Galopp hügelabwärts wieder auf. Von seinem Blickwinkel am Boden aus
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