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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Lederriemen von seiner Schulter, öffnete die Klappe der Tasche und zog ein schmales Bündel heraus, das immer noch in seine Außenhülle aus Leinen gewickelt und mit seinem scharlachroten Strang verschnürt war.
    »Was hast du da?«, erkundigte sich Anen. »Ist es eine Grabbeigabe?«
    »Ja«, antwortete Xian-Li. »Wir möchten es zu Arthur in das Grabmal legen.« Sie fuhr mit ihren Fingerspitzen über den Steindeckel. »Dürfen wir?«
    »Es soll so sein, wie ihr sagt.« Er drehte sich um, gestikulierte in Richtung des Meisterkünstlers und sprach einen Befehl. Augenblicklich legten die Handwerker die Werkzeuge nieder und kamen zum Sarkophag herbeigeeilt. Sie stellten sich auf – jeweils zwei auf jeder Seite und am Kopf des steinernen Sarges. Mit brachialer Kraft hoben sie den schweren Deckel einen oder zwei Zoll an, ließen ihn nach unten und zur Seite gleiten und enthüllten so die in Linnen gebundene Mumie von Arthur Flinders-Petrie.
    Ein zarter Hauch von der betäubenden, einschläfernden, widerlich-süßlichen Myrrhe stieg von dem in Linnen gebundenen Leichnam auf und setzte sich hinten an der Kehle ab. Xian-Li hustete und drückte den Handrücken gegen ihren Mund, aber dann senkte sie zögernd die andere Hand, um sie auf der gerundeten Brust der Leiche ihres Ehemanns ruhen zu lassen.
    Benedict hatte erwartet, bei dem Anblick irgendeine Gefühlsaufwallung zu empfinden. Doch er blickte auf die eleganten weizenfarbigen Umhüllungen und die makellose Form des Körperumrisses; und all das war so weit von allem entfernt, was er von seinem Vater zu Lebzeiten kannte, dass er nichts fühlte. Dennoch stand er bloß da und hielt das flache Bündel in seinen Händen – und war nicht gewillt, es der Grabesstätte anzuvertrauen.
    Xian-Li legte eine Hand fest auf seine. »Es ist an der Zeit, Benedict. Erinnere dich an deinen Schwur, mein Sohn.«
    Immer noch zögerte er.
    »Benedict, hör mir zu. Wenn wir jemals Frieden finden wollen, muss diese Versuchung beseitigt werden.«
    Sein Widerstand schmolz dahin, und der junge Mann senkte behutsam das Bündel und legte es auf die abgerundete Brust der Mumie. Die Aufwölbung, die durch die über der Brust gebundenen Hände entstanden war, führte dazu, dass das eingewickelte Pergament zu einer Seite hin wegrutschte und nach unten fiel.
    Nachdem er ein zweites Mal versucht hatte, das Bündel auf der Brust ins Gleichgewicht zu bringen, bat Anen: »Gestattet ihr es mir?«
    Xian-Li nickte, und Benedict legte das Bündel in die ausgestreckte Hand des Priesters. Anen sagte etwas, und zwei der Handwerker griffen in den Sarkophag hinein und hoben die Mumie leicht an. So ermöglichten sie es dem Priester, das dünne Bündel unter den Kopf des Leichnams zu schieben, sodass es wie ein kleines, flaches Kissen darunter lag. Er schaute zum jungen Mann und seiner Mutter, um zu erfahren, ob sie dem zustimmten.
    Benedict gab ein Grummeln von sich zum Zeichen dafür, dass er zufrieden war; Xian-Li schloss ihre Augen und beugte ihren Kopf, während sie stumm betete. Nach einem Moment öffnete sie ihre Augen und hob wieder ihren Kopf. Sie warf einen letzten Blick auf die Mumie, dann wandte sie sich um und begab sich aus dem Grab. Benedict folgte ihr. Anen gab den Befehl, dass der Sarkophag abermals geschlossen werden sollte. Er ließ die wundervollen Gemälde auf sich einwirken, mit denen seine letzte Ruhestätte so reich bedacht war, lobte den Meister für sein Geschick, und die Arbeit wurde wieder aufgenommen.
    »Danke sehr, mein Freund«, sagte Xian-Li zum Hohen Priester, als er sich ihnen draußen wieder anschloss. »Ich weiß deine Gefälligkeit sehr zu schätzen. Du bist höchst aufmerksam gewesen.«
    »Doch ich würde gerne mehr tun«, sagte Anen nachdenklich. Sein Gesicht hellte sich auf, als ihm ein Gedanke kam. »Gestattet ihr mir, euch mitzunehmen, damit ihr den Pharao kennenlernt? Mit dem Boot sind es nur zwei Tage bis Theben, und es ist eine sehr angenehme Reise. Der neue Sommerpalast des Königs ist ein prachtvoller Anblick.«
    Er bemerkte Benedicts entsetzten Gesichtsausdruck, als seine Mutter die Einladung übersetzte.
    »Nein! Nein! Versteh mich nicht falsch«, entgegnete Anen rasch und erklärte anschließend: »Es gibt jetzt einen neuen Pharao – Tutanchamun. Der alte, an den du dich entsinnst – Echnaton, der solche Probleme verursacht hat –, ist inzwischen seit vielen Jahren fort: er und mit ihm seine Königin, seine Kinder und die lästigen Habiru. Hab keine Sorge; diesmal

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