DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
noch beschleunigt.« Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas. »Nochmals … Wir wissen nicht, warum. Folglich hat die Suche nach dieser mysteriösen Dunklen Materie und Dunklen Energie begonnen, die – wie verschiedene Formeln und Modelle nahelegen – existieren sollen.«
»Aber nicht gefunden werden können.«
»Richtig; aber wenn die Existenz einer dieser Sachen nachgewiesen werden könnte, dann beginnen wir möglicherweise, einen Schlüssel dafür zu bekommen, um zu begreifen, was tatsächlich im Universum vor sich geht. Und damit meine ich, dass wir letztendlich anfangen könnten, die Ursprünge des Universums und – wer weiß – vielleicht sogar die Natur der Wirklichkeit selbst zu verstehen.« Er genoss einen weiteren Schluck seines Whiskeys und fügte hinzu: »Natürlich ist all das bloße Vermutung. Das wissenschaftliche Äquivalent davon, sich etwas laut auszudenken. Wir haben überhaupt keinen Beweis, nicht einmal den Schimmer einer überprüfbaren Hypothese. Nur Spekulation.« Er lächelte. »Jedem ist freigestellt, zu spekulieren.«
»Dann werden Sie es mir vielleicht gestatten, ein wenig von dieser Art Spekulation zu betreiben?« Brendan trank sein Glas aus und stellte es zur Seite. »Was, wenn wir annehmen, dass sich das Universum tatsächlich mit einer wahrhaft alarmierenden Geschwindigkeit ausdehnt? Was weiter, wenn die Ursache für diesen Anstieg der Beschleunigung nicht irgendeine exotische, unbekannte Dunkle Materie da draußen im Kosmos wäre, sondern etwas, das unserem Zuhause sehr viel näher ist. Oder, anders ausgedrückt, die Quelle dieser mysteriösen Dunklen Energie befindet sich womöglich direkt hier auf der Erde.«
»Sie haben meine Aufmerksamkeit gewonnen«, sagte Tony. Er leerte sein Glas und stellte es neben dem von Brendan auf dem Tisch ab. »Also, wie sieht Ihre Theorie aus? Raus mit der Sprache.«
»Angenommen, wir sagen, dass die Dunkle Energie die Ausdehnung des Universums antreibt und dies tatsächlich mit dem menschlichen Bewusstsein verbunden ist?«
In dem Schweigen, das folgte, beobachtete Brendan seinen Gast, um zu sehen, wie ein angesehener Wissenschaftler seinen laienhaften Vorschlag aufnahm. Das klimpernde Geräusch des Brunnens und der Jasminduft erfüllten die Luft, und die sinkende Sonne ließ die Schatten größer werden. Über den Hof legte sich ein wohltuende Dämmerung. Brendan widerstand dem Impuls, weiterzusprechen; er war so aufmerksam, seinem Gast einen Moment des ruhigen Nachdenkens einzuräumen.
»Eine unorthodoxe Spekulation, aber nicht – wie manche glauben würden – völlig haarsträubend«, folgerte Tony. »Vorausgesetzt, dass auf irgendeiner Ebene sowohl im kosmischen als auch im mikrokosmischen Bereich Quantenkräfte die Geschehnisse steuern, mag es bis jetzt unentdeckte Verbindungen geben.« Er nickte nachdenklich. »Ja, in Ordnung. Wir wollen annehmen, dass das menschliche Bewusstsein irgendwie darin verwickelt ist. Wohin bringt uns das? Fahren Sie fort.«
»Lassen Sie uns weiter annehmen, dass das, was wir Ley-Reisen nennen, eine greifbare Manifestation dieses Zusammenhangs zwischen dem menschlichen Bewusstsein und der beschleunigten Expansion des Universums ist.«
»Interessant«, meinte Tony; sowohl sein Ausdruck als auch der Tonfall waren zurückhaltend. »Wie soll diese Annahme abgeleitet werden?«
Brendan erhob sich vom Tisch. »Ich denke viel besser, wenn ich in Bewegung bin. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir ein wenig spazieren gingen?«
»Mir würde es auch nichts ausmachen, wenn wir mit Eiern jonglieren und dabei auf dem Kopf stehen würden. Sie haben mich am Haken, Professor. Gehen Sie voran.«
Sie verließen die Zentrale der Gesellschaft und betraten das Straßenlabyrinth der Altstadt, wobei sie auf den ruhigen Nebenwegen blieben, die von überhängenden Weinstöcken und Feigenbäumen beschattet wurden.
Nachdem sie eine Zeit lang spazieren gegangen waren, sagte Brendan: »Als Physiker werden Sie mit Schrödinger und seiner berühmten Katze vertraut sein.«
»Das bedauernswerte Tier«, erwiderte Tony, »das zur selben Zeit sowohl tot als auch lebendig ist – in der Vorhölle auf sein Schicksal wartet –, und zwar in Abhängigkeit davon, wer in die Kiste späht oder wann hineingeguckt wird: oder vielleicht in Abhängigkeit von beidem .«
»Genau die Katze.«
»Ich nehme an, Sie wissen, dass Herr Schrödinger dieses Gedankenexperiment vorgeschlagen hat, um die Kerntheorien der Quantenmechanik
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