DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
das Geschütz herum, richtete es für den Schuss aus und ließ die Kugel fliegen. Feuer und Rauch traten aus der schmalen Öffnung der schwenkbaren Kanone, und die Reling des Schoners in der Nähe des Bughakens explodierte in einem Splitterhagel. Die feindlichen Seeleute waren nicht mehr zu sehen, und die Kugel raste weiter und schlug in eine Bodenluke ein, die sich in der Mitte des Decks befand.
»Feuer weiter!«, schrie Burleigh. »Lass nicht nach!«
»Eure Lordschaft!«, rief Garland. »Hier!«
Der Earl drehte sich um, als der Erste Offizier herbeigerannt kam – mit zwei Pistolen in der einen Hand und zwei Entermessern in der anderen.
»Ich schlage vor, Sie verteidigen das Geschütz, Sir«, sagte Garland und stieß Burleigh eine Pistole in die Hand.
Ein verzweifelter Schrei war am Heck zu vernehmen, und Garland raste fort.
»In Ordnung«, murmelte Burleigh, während er die Pistole spannte. »Zeigt eure schäbigen Gesichter, ihr Schurken. Machen wir Futter für die Aasfresser.«
Ein Knall hallte vom Heck wider. Burleigh blickte zurück die Reling entlang und sah, dass die Heckkanone in Rauch eingehüllt war und ein großes Stück der Schoner-Reling durch die Luft wirbelte. Wie sein Kamerad am Buggeschütz, zielte Henderson auf Seemänner – er jedoch auf diejenigen, die am Enterhaken mittschiffs zogen.
Als sich der Rauch lichtete, tauchte Kapitän Farrell mit einem Entermesser in der Hand auf und hackte auf die Trosse ein, die den Enterhaken absicherte. Ein Hagel von Pistolenkugeln spritzte um ihn herum – ein Schuss riss in der Nähe seiner Hand ein Stück von der Reling heraus. Burleighs Blick überflog die Takelage des Schoners, und er sah drei Piraten, die in den Wanten hingen; zwei von ihnen luden gerade nach, und der dritte zielte auf Farrell.
Burleigh hob in aller Ruhe, mit eingeübter Sorgfalt, seine Pistole, korrigierte den Schusswinkel und betätigte den Abzug. Der Rückstoß der Pistole wurde von einem beruhigenden Krachen begleitet, und die Kugel raste zu ihrem Ziel. Ein Seemann hoch oben in der Takelage ließ seine Waffe fallen und griff vergeblich nach dem Seil. Dann packte er sich mit einer Hand an die Brust – mit der anderen fuchtelte er wild um sich – und fiel, losgelöst von der Takelage, wie ein Stein hinab. Seine zwei Kameraden jagten das Tauwerk hinunter, um sich in Sicherheit zu bringen. Burleigh sah sein Opfer abstürzen, jedoch nicht mehr, denn der Earl, der das Feuer in seinem Bein ignorierte, rannte bereits zu Farrell, um ihm beizustehen.
»Was machen Sie hier?«, rief der Kapitän. »Machen Sie, dass Sie zur Bugkanone zurückkommen!«
»Sie brauchen Hilfe«, entgegnete Burleigh und begann, mit raschen kräftigen Hieben mit dem Entermesser auf das dicke Seil einzuschlagen.
Der geflochtene Hanf widerstand seinen ersten Versuchen, aber dann schnitt die scharfe Klinge hinein, und mit jedem Schlag franste das Seil ein wenig mehr aus. Wieder und wieder hoben sich die Klingen und stießen herab, während sich die zwei Männer abmühten, den Haken freizumachen – und sie standen kurz davor, Erfolg zu haben, als hinter dem Lukenaufsatz fünf feindliche Seeleute auftauchten. Sie schrien und fuchtelten mit Säbeln und Entermessern herum. Burleigh versetzte der Trosse einen letzten Schlag und wandte danach seine Aufmerksamkeit den Angreifern zu, als der Erste von ihnen auch schon mit erhobener Stimme und erhobenem Entermesser hochgeklettert kam.
Der Franzose sprang vor und lehnte sich über die Reling und die Lücke hinaus, die die zwei Schiffe voneinander trennte. Mit seiner Waffe haute er wild um sich – nicht so sehr, um Farrell und Burleigh zu verletzen, sondern um die beiden von dem schweren Seil des Enterhakens fernzuhalten. Burleigh begegnete dem Stoß der breiten Klinge seines Angreifers mit einer starken Parade nach unten und schlug die Waffe zur Seite. Ihren Platz nahmen augenblicklich zwei weitere Klingen ein, da noch mehr Seemänner sich an der Reling drängelten: Jeder von ihnen streckte sich und stieß und stach in einer fieberhaften Anstrengung, um die einsamen Verteidiger zu erreichen.
»Runter – in Deckung, Kapitän!«, rief Henderson vom Heck aus.
»Nach unten!«, schrie Farrell und zog Burleigh neben sich auf das Deck. »Schützen Sie Ihren Kopf.«
Der Earl hatte nur Zeit, seinen freien Arm über seinen Kopf zu werfen, als die Heckkanone ihr lautstarkes Krachen vernehmen ließ. Sie wurden von Holz- und Seilstückchen überschüttet. Farrell sprang auf die
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