Du bes Kölle: Autobiografie
jünger aus, als ich tatsächlich war. Deshalb bekam ich diese Rolle, in der ich das Köbeschen spielte, den Sohn vom Tünnes. Der wiederum wurde natürlich vom Willy höchstpersönlich dargestellt. Es gibt noch Fotos von uns beiden, auf denen er mir vor der Show die rote Kittnase anklebt. Die sah genau aus wie seine, und wir trugen auf der Bühne auch die gleichen Klamotten.
Letztlich hatte ich nur ein paar wenige Sätze zu sprechen. Die Fetzen, an die ich mich erinnere, mögen bezeichnend für das Stück gewesen sein: »Papa, luur ens do, ne steile Zahn« und »Papa, hä hät jesoffe«. Aber immerhin bin ich so dem großen Willy Millowitsch zum ersten Mal begegnet. Das war, wie jeder weiß, eine höchst bedeutende Figur in der kölschen Szene. Noch heute habe ich ihn in der Nase. Denn der Willy roch immer nach Mastix, dem gängigen Theaterkleber, mit dem man noch heute Schnäuzer oder eben Nasen befestigt. Viele ehemalige Mitarbeiter erzählen, dass er ein Despot gewesen sei. Das mag stimmen, immerhin war er ja auch der Chef des Theaters und trug die Verantwortung. Ich selbst habe damals als Kind nichts davon gespürt. Willy Millowitsch war immer sehr nett zu mir gewesen. Dass ich rund 20 Jahre später mit den Bläck Fööss in sein Theater zurückkehren würde, konnte damals noch niemand ahnen.
1962 bis 1970
DIE LUCKIES IN ST. NIKOLAUS
Mit der Musik ging es bei mir schon los, als ich 12, 13 Jahre alt war. Ich weiß nicht mehr, ob meine Eltern mich jemals mit den Luckies, meiner ersten Band, gesehen haben. Dabei fand unser erster Auftritt 1962 direkt gegenüber unserem Haus in Sülz statt – in St. Nikolaus nämlich. Damals spielte ich noch auf Orff ’schen Trommeln, das waren eigentlich Holzinstrumente für den schulischen Musikunterricht. Heutzutage verfügt wahrscheinlich jede Schule über ein richtiges Schlagzeug. Aber bei uns standen eben nur diese Holztrommeln herum, die noch mit echten Fellen bespannt waren. Und daneben gab’s Kalebassen, Claves, Triangeln – Instrumente, die eigentlich von verschiedenen Leuten bedient werden müssten. Aber aus denen habe ich mir dann ein Schlagzeug gestrickt. Diesen Instrumentenpark verdankten wir nicht zuletzt unserem Sologitarristen, Willi Poetes. Dessen Vater nämlich war der Hausmeister an meiner Grundschule.
Zugleich sind die Luckies für mich auch eng mit meinem damaligen Freund Wilfried »Fibbes« Dormagen verbunden. Der kam aus Ehrenfeld, war ein bisschen älter als ich und besaß einen eigenen Plattenspieler. Ich war oft bei ihm zu Hause, und dann haben wir die Griffe und Basslinien der englischen Songs rausgehört. Wenn man eine Single statt mit 45 mit 78 Umdrehungen laufen lässt, wird der Bass deutlicher. Dann verschwimmt der nicht mehr untenrum, sondern wächst in den Vordergrund.
Solche Tricks brauchte man damals, anders ging es nicht. Es gab keine Beatles-Noten, die man sich irgendwo kaufen konnte. Und auch die Texte musste man sich selbst zusammenpuzzeln. Diese Mängel spielten letztlich sogar bei der Besetzung einer Band eine Rolle. Gerd Tutt etwa wurde vor allem deshalb Bassist bei den Luckies, weil sein Vater Elektriker war und Gerd gerade bei ihm in die Lehre ging. Gerd redete nicht viel, aber er war tatsächlich in der Lage, einen funktionierenden Verstärker zu bauen! Seinen Bass beherrschte er nicht gerade virtuos, aber wegen des Verstärkers haben wir ihn aufgenommen. Wobei man dazusagen muss, dass dieses Gerät seine Macken hatte. Das stand nämlich unter Strom, sobald man es anschloss. Heutige Verstärker sind aus Holz oder Kunststoff, aber Gerds hatte einen Metallkorpus. Und der wurde von irgendeinem Massefehler gefüttert. Da liefen zwar nicht gerade 220 Volt durch, aber immer noch genug, um ordentlich eine gezwiebelt zu bekommen. Und der, der das Teil als Erster so kennenlernte, war ich.
IN DER BEATMUSIK WURDE RICHTIG HINGELANGT
Willi Poetes war ein großer Shadows-Fan. Außerdem schwärmte er für Cliff Richard, das war dann nicht mehr unbedingt mein Ding. Damals hörte man im Radio schließlich schon die frühen Beatles. Im Vergleich zu Cliff Richard waren das Punks. Ich habe noch genau die Version von »Twist and Shout« im Ohr, wie die Beatles sie 1962 im Hamburger Star-Club brachten. John Lennon shoutet sich im wahrsten Sinne des Wortes die Seele aus dem Leib, das ist Wahnsinn. Am Schluss übergibt er sich fast, so geht der ab. Wenn du einmal solche Sachen im Kopf hast, dann kannst du die Holztrömmelchen von der Schule
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