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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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hinzukam: Genau als ich über dem Schlund stand, sprang im Keller die Ölheizung an. Und was dort oben dann hinausschoss an Ölruß, kann sich niemand ausmalen, der es nicht erlebt hat. Ich weiß nur noch, dass mir plötzlich diese heiße, giftige, schmierige, rußpartikelgeschwängerte Druckwelle entgegenkam. Voll in die Fresse rein. Ich habe gedacht, ich ersticke, es war furchtbar. Und später hat es mich am ganzen Körper gejuckt, ich konnte gar nicht mehr aufhören, mich zu kratzen. Heinz Esser und Helmut Moritz haben genau gewusst, was kommen würde. Die haben mich absichtlich in die Falle tappen lassen, wahrscheinlich sollte das so etwas wie eine Feuertaufe werden. Aber ich dachte nur: »Lieber Gott, wenn das so weitergeht, dann gute Nacht.«

KNOCHENARBEIT IM DOPPELKELLER
    Trotz alledem hatte ich nach dem ersten Arbeitstag nichts Besseres zu tun, als zu Hause in der Lotharstraße aufs Dach zu klettern. Zwischen der trocknenden Wäsche auf dem Dachboden zum Fenster raus und hoch zur Ecke Remigiusstraße – das war ich meiner Leidenschaft schuldig. Und außerdem hatte ich ja jetzt sogar eine Art Genehmigung fürs Dächerklettern.
    Unser Haus, die Nummer 30, verfügte über immerhin sechs Stockwerke und ein ziemlich steiles Dach. Dabei zugute kam mir, und natürlich auch bei meiner Lehre als Schornsteinfeger, dass ich immer völlig schwindelfrei war. Auch andere Probleme, die die Lehre mit sich brachte, meisterte ich. Das frühe Aufstehen etwa steckte ich ziemlich gut weg. Wegen der Musik spät ins Bett und früh wieder raus, das kannte ich ja schon aus Schulzeiten. Unangenehmer fand ich dagegen den ganzen Dreck, in dem man als Schornsteinfeger von morgens bis abends werkelt. Und später dann auch die ganze Schlepperei. Meister Esser hat damals praktisch nichts mehr selbst gemacht. Der kümmerte sich um den Papierkram und ließ Helmut und mich die schwere Arbeit erledigen. Als Lehrling stand ich in der Hierarchie natürlich ganz unten, ich habe jeden Eimer geschleppt. Mal mit Steinen, denn wir haben auch viele Schornsteine gemauert. Und mal mit Spieß, wie man in Köln zu Mörtel sagt. Ein Eimer rechts, einer links. Und wie das mit Schornsteinen so ist, musste man natürlich immer bis ins alleroberste Stockwerk. Beziehungsweise noch bis darüber hinaus.
    Mehr oder weniger im Akkord habe ich ab dem zweiten Lehrjahr auch Betonschieber eingebaut. Die findet man unten im Keller, wo sich der Ruß sammelt. Früher bestanden diese Teile aus Blech. Das war nicht ungefährlich, weil Ruß auch schon mal brennend vom Schornsteininneren nach unten fällt. Aber es sollte natürlich nichts abfackeln, deshalb kamen zu meiner Zeit die Betonschieber auf. Dafür klopfte man den alten Rahmen raus und setzte mit Spieß einen neuen ein. Wenn der ordentlich verkeilt war, kam zum Schluss die einzuhängende Klappe drauf.
    Ich erinnere mich an manche Häuser, am Luxemburger Wall etwa, die verfügten noch über Doppelkeller. Da musste man also bis ins zweite Kellergeschoss, und selbstverständlich gab es in den Räumen da unten noch kein elektrisches Licht. Helmut Moritz hat mich die Schieber oft allein auswechseln lassen, um schon mal zur nächsten Baustelle vorzugehen. Ich war 14 und tauchte in eine gruselige Welt ein. Schutt und Krempel. Düstere, völlig vergammelte Keller unter ruinösen Häusern. Man kam sich dort vor wie ein Höhlenforscher, nur dass wir keine Helme trugen. Unsere Taschenlampen, rechteckige Teile mit den alten breiten Varta-Batterien, hingen an einem Lederriemen. Und diesen Riemen trugen wir während der Arbeit im Mund. Wie Pferde ihr Zaumzeug.

EINE UNERGRÜNDLICHE GEFANGENSCHAFT
    Oftmals hatte ich also eher einen Job unter Tage als über den Dächern. Ich war froh, wenn ich von da unten wieder an die frische Luft kam. Unser Bezirk umfasste vor allem die Gegend um die Kyffhäuser-, Heinsberg- und Hochstadenstraße. Heute ist das ein Kneipenviertel, aber damals wohnten da noch ganz normale Menschen. Wenn wir zu dritt über die Straße gingen, ich in der Mitte, dann grinsten die Leute. Denn Heinz Esser und Helmut Moritz, das waren zwei unglaubliche Riesen. Die kratzten beide an der Zweimetermarke, während ich damals keine 1,60 groß war.
    Unser Meister war in mancher Hinsicht ein Lebemann. Manchmal kam er im schicken grünen Lodenmantel in unseren Bezirk, wenn Helmut und ich gerade zugange waren. Oder er trug einen piekfeinen Schornsteinfegeranzug, dessen goldene Knöpfe noch nie mit Ruß in Kontakt gekommen

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