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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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30-PS-Maschine und ein unsynchronisiertes Getriebe, das bei jedem Gangwechsel nach Zwischengas verlangte. An Luxusaccessoires wie ein Radio war ohnehin nicht zu denken, aber wenigstens etwas heller wollte ich es haben.
    Ursprünglich verfügte der Wagen nämlich hinten nur über so ein kleines Ovalfenster. Aber Peter meinte: »Komm vorbei, wir vergrößern dir das.« Und dann haben die Jungs von Fleischhauer das alte Fenster rausgeholt, einen größeren Rahmen ausgeschnitten und ein neues Fenster eingesetzt, fertig. Und als ich dann noch die gerade herausgekommenen breiten Chromblinker montiert hatte, war der VW Standard zu einem echten Repräsentationsstück mutiert. Gekauft hatte mir den Wagen wiederum mein Vater, für 600 Mark. Es gibt diesen Song von mir, »Minge Vatter«, da erzähle ich davon.
    Heinz Esser und mein Vater kannten sich von der Theke im Haus Aachen. Das war direkt bei uns an der Ecke Lothar- und Luxemburger Straße. Esser war Bezirksschornsteinfegermeister und wohnte in der Erpeler Straße in Klettenberg. Seine Ehe war kinderlos, vielleicht hatten er und seine Frau deshalb einen Narren an mir gefressen. Dass ich bei ihm in die Lehre gehen sollte, fand der Esser klasse, die haben mich quasi adoptiert. Wenn ich morgens auf mein Fahrrad stieg, ging es immer zuerst zum Bäcker auf dem Gottesweg. Und dann mit den Brötchen zu Essers unters Dach zum gemeinsamen Frühstück.
    Heinz Essers Frau hieß Karin und war blond, hübsch und lieb. Ich bekam meine Brötchen geschmiert und einen guten Kaffee vorgesetzt. Wir saßen dort wirklich wie eine Familie am Tisch, und ich denke, ich habe das genossen. Mein Vater war fort, und ich spürte, dass die Liebe der Essers von Herzen kam. Diese halbe Stunde morgens hat mir schon deshalb gefallen, weil das eine friedliche Zeit war. Ganz anders als der Rest des Tages, denn schon bald begannen die Probleme. Auch als kleiner Fetz durchschaust du so manche Zusammenhänge, die das Leben der Erwachsenen kompliziert machen.
    Der Geselle Helmut Moritz, eigentlich schon Meister, aber ohne eigenen Bezirk, war alkoholabhängig. Heinz Esser konnte auch trinken, na klar. Aber Helmut war oft ein Totalausfall, und dann hing ich als 14-Jähriger zwischen den beiden. Am ehesten funktionierte das noch, wenn wir zu dritt an irgendeinem Tresen standen. Ich bekam eine Limo, die beiden haben ihr Bierchen zusammen getrunken, und dann war es gut. In solchen Moment war ich sogar stolz, da kam in mir eine echte Handwerkerehre hoch. Ich sah uns da stehen und sagte mir: »Das sind wir, drei Kaminsfeger, die an d’r Thek ston un e Bier drinke.« Wunderbar, das hatte so etwas Archaisches. Aber solche Momente blieben leider die Ausnahme.

HEISS, GIFTIG, SCHMIERIG
    Ursprünglich hatte ich mich noch aus einem anderen Grund auf diese Lehre gefreut. Schließlich bin ich mein Leben lang gern geklettert. Auf dem Nikolausplätzchen gegenüber unserem Haus standen ein paar Bäume, die bin ich alle hoch. Selbst wenn sie dick und untenrum eher astlos waren, irgendwie bin ich immer heraufgekommen. Mit meinem Freund Uwe Dietz wollte ich eines Tages auch die Kirche erobern. Über das Dach des Jugendheims gelangten wir auf Umwegen zum Glockenturm. Anstatt jedoch unserer Wette gemäß eine Glocke zu läuten, erklang das Martinshorn. Irgendwer hatte uns verpfiffen.
    Wäre ich ein bisschen später geboren worden, wäre ich heute wahrscheinlich Freeclimber und würde die Hohenzollernbrücke erklettern. Und früher oder später hätte ich dem Messner Konkurrenz gemacht auf dem Rennen zum Nanga-Parbat-Gipfel. In meiner Lehre jedoch ließ der erste Absturz nicht lange auf sich warten.
    An meinem allerersten Lehrtag stand die Presse Schlange, das war großes Theater. Immerhin war ich der Sohn vom Rickes, von Richard Engel, dem Sänger der Vier Botze. Und der »steigt nun den Kölnern aufs Dach«, wie der Kölner Stadt-Anzeiger titelte. Auf dem dazugehörenden Foto sieht man mich auf dem Dach der Stadtsparkasse zwischen Helmut und Heinz. Und wenn da eine Sprechblase über meinem Kopf geschwebt hätte, dann hätte da drinstehen müssen: »Ach du Scheiße!«.
    Man muss sich vorstellen, dass die Heizkessel dort ungefähr eine Millionen Wärmeeinheiten produzierten, also Kilokalorien. Die Stadtsparkasse besaß drei solcher Kessel, denen auf dem Dach drei gigantische Schornsteine entsprachen. Die Schlünde waren groß genug, um einen erwachsenen Mann zu verschlucken. Da konnte man tatsächlich hineinstürzen, und was noch

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