Du bes Kölle: Autobiografie
war halt dermaßen klein, dass er dort am effektivsten boxen konnte. Zander und Diwinski kamen mit rotem Kopf zurück, und Ersterer mag sich an diesem Tag geschworen haben, es dem Kerl ein für alle Mal heimzuzahlen. Bald darauf jedenfalls schlug der Schüler Zander den Lehrer Neuhardt mit einem gezielten Schlag k. o. Und der gesamte Schulhof hat innerlich applaudiert. Ich auch, gestehe ich.
MITLEID STATT RACHE
Viel zu viele Leute behaupten immer wieder, mit mir in eine Klasse gegangen zu sein. Offenbar gibt es Menschen, die sich mit so etwas brüsten, und das ärgert mich. Umso schöner ist es, mit Dieter Lichnowski, Ossi Hamacher und Heribert Klaes damals drei echte Freunde fürs Leben gefunden zu haben. Denn der Kontakt zu diesen Jungs ist nie abgerissen. Ossi und seine älteren Brüder waren jahrelang immer wieder im Millowitsch-Theater , wenn ich dort mit den Fööss gastierte. Und heute sehen wir uns beim Weihnachtsengel. Jedes Jahr taucht der Ossi plötzlich hinter der Bühne auf und begrüßt mich. Heribert wiederum hat so manchen Text zum Weihnachtsengel beigesteuert und wohnt nach wie vor in Sülz. Als Dieter noch lebte, haben wir einmal zu viert in meiner Küche gesessen und den ganzen Abend nur gelacht. Dabei kam uns vor allem das Elefantengedächtnis von Heribert zugute, der selbst die abwegigsten Anekdoten noch im Kopf hatte.
Mir selbst steht noch sehr gut das Wiedersehen mit dem Lehrer Neuhardt vor Augen. Jahrzehnte nach meinem Schulabgang absolvierten wir mit den Fööss einen Benefizgig an meiner alten Schule. Und wer steht plötzlich neben mir? Günther Neuhardt. Einen Kopf kleiner als ich und stolz strahlend, weil er doch diesen Sänger da einst in seiner Klasse unterrichtet hatte. Was habe ich gedacht in dem Moment? War ich böse? Habe ich ihn gehasst und mit dem Gedanken gespielt, ihm alles heimzuzahlen? Nein. Der Neuhardt hat mir leidgetan, das war mein Gefühl.
Nachzutragen wäre noch, dass wir beim Neuhardt trotz alledem viel gelernt haben.
DOOF UND DOOFLINCHEN
Jenseits der Schule sammelte ich damals bereits erste Bühnenerfahrungen. 1959 waren Hildegard Krekel und ich beim WDR »Doof und Dooflinchen«. Und 40 Jahre später sollten wir für die »Anrheiner« noch mal zusammen schauspielern. Als ich sie dort am Set wiedertraf, meinte sie zurückblickend: »Unglaublich faul warst du, nie wolltest du deinen Text lernen.« Damals war ich knapp zehn, und faul bin ich heute immer noch gern. Ich war der Doof und Hilde das Dooflinchen, so sind wir im Großen Sendesaal aufgetreten. Vor uns saßen Zuschauer, und vom Studio aus liefen unsere Geschichten direkt in den Äther. Es gab einen vorgefertigten Text, an viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Aber gelernt habe ich den letztlich doch immer, denn ich war furchtbar nervös vor diesen Auftritten. Auch heute habe ich noch großes Lampenfieber, bevor ich auf die Bühne gehe.
Eigentlich verfügte ich damals bereits über eine gewisse Routine, denn meine allerersten Rundfunkerfahrungen hatte ich bereits zwei, drei Jahre vorher gemacht. Zu verdanken hatte ich sie meiner Tante Ulli Engel-Hark, die in den 50ern zum Millowitsch-Ensemble gehörte und dann Hörspielleiterin beim WDR wurde. »Wat dä Schmitzens all passeet« hieß die Serie, das war so eine Art »Lindenstraße« fürs Radio. Ich spielte einen kleinen Jungen, den Sohn der Schmitzens eben. Und bei denen war immer was los, vor allem musste der komplizierte Alltag bewältigt werden. Produziert wurden richtige kleine Hörspiele, die eine feste Sendezeit hatten. Sehr genau erinnere ich mich noch an die schalldichten Räume, in denen wir aufnahmen. Da lag Kies aus für den Fall, dass man Schrittgeräusche brauchte. Da gab es Türen und Treppen und verschiedene Schlösser, die du öffnen konntest. Heutzutage kannst du im Rahmen der Postproduktion noch alles Mögliche ausbessern und manipulieren, aber damals wurde das alles in einem Abwasch erledigt.
Mit meinen sieben, acht Jahren konnte ich die Texte bereits flüssig lesen – auf Kölsch. Und wahrscheinlich deshalb schlossen sich an diese Radiosendung auch meine ersten Auftritte im Millowitsch an. Es war wiederum meine Tante Ulli, die mich dem großen Willy vorstellte. Er wollte das Stück »Drei Dach alt Kölle« auf die Bühne bringen, hatte jedoch ein Problem. Denn sein Sohn Peter war ein bisschen älter als ich und in jenem Jahr 1959 deshalb schon zu groß für die Figur des kleinen Jungen. Ich hingegen sah immer noch locker zwei Jahre
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