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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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Aber gut, die Jungs hatten wahrscheinlich Wichtigeres zu tun.

HUNDE BELLEN, LEHRER SCHLAGEN
    An der Katholischen Volksschule Berrenrather Straße, wie sie mit vollem Namen hieß, gab es zwei Schulhöfe. Der hintere war den Großen vorbehalten, vorn zur Straße hin trieben sich die Kleinen rum. Viel Platz hatte man dort zum Spielen, und mein Schulweg betrug gerade einmal ein paar Dutzend Meter. Alles hätte also schön und entspannt sein können, wenn es nicht bei jedem nichtigen Anlass Prügel gegeben hätte.
    Meine prägendste Erinnerung an Lehrer ist die, dass man Angst vor ihnen hatte. Im dritten Schuljahr bekamen wir den Lehrer Henn vorgesetzt: schütteres Haar, untersetzt, immer hochrot im Gesicht.
    Und genauso schnell sah der Mann auch rot. Der Henn hat mich mal nach vorn zum Pult gerufen und mir kommentarlos eine runtergehauen. Als Kind fragte man in solch einer Situation nicht nach dem Grund, das gehörte mit zum perfiden Spiel. Also saß ich da an meinem Tisch und wusste einfach nicht, was mir gerade widerfahren war. Und warum. Nach einer Weile fiel mir ein, dass ich auf einer Mundseite ein bisschen mit der leeren Backe gekaut hatte – eine kleine Ablenkung, wenn man nervös ist. Also legte ich es mir so zurecht, dass dieses Malmen verantwortlich für meine Abstrafung gewesen sein mochte.
    Dass Lehrer schlagen, war für uns so selbstverständlich wie das Bellen von Hunden. Sie schlagen dich, sie ziehen dir die Ohren schmerzhaft lang und das Holzlineal über die zur Tulpe gespitzten Finger. Es ist schwer zu sagen, was diese Leute zu ihrer Gewalt motivierte. Fehlte es denen an Selbstbewusstsein? Fühlten die sich womöglich angegriffen von manchem Blick der kleinen Männchen, die vor ihnen saßen? Oder war die Gewalt gegen Schüler für sie nur die Fortsetzung jenes schulischen Nazialltags, aus dem die meisten von ihnen kamen?
    Noch übler wurde es, als wir im vierten Schuljahr Günther Neuhardt als Klassenlehrer bekamen. Ich war nie jemand, der verträumt durchs Leben geht. Eher war es sogar so, dass ich Zusammenhänge und Erwachsene etwas schneller durchschaute als manche meiner Mitschüler. Ich war wachsam und versuchte immer herauszubekommen, wo der Hase gerade langlief. Und ob ich als Grundschüler beim WDR engagiert war oder bis spät in die Nacht im Millowitsch auftrat – ich hatte morgens immer meine Hausaufgaben parat und achtete darauf, im Unterricht nach Möglichkeit nicht einzupennen.
    Geistig lahm zu sein, bedeutete eine enorme Gefährdung. Und wenn du körperlich nicht mithalten konntest, war das genauso schlecht. Zum Sport gingen wir immer in die Turnhalle am Manderscheider Platz, weil unsere Schule über keine eigene verfügte. Wer vielleicht etwas fülliger war und nicht das Seil bis zur Decke hochkam, der wurde fertiggemacht. Der wurde gehänselt, bloßgestellt und gedemütigt. Ich habe nicht mitgelacht bei derartigen Anlässen, denn mir taten diese Schüler immer leid. Aber selbst wenn du achtgabst wie ein Luchs, bliebst du nicht verschont. Sei es, dass sie dich nicht leiden konnten, sei es aus einer bloßen Laune heraus: Viele Lehrer schlugen völlig unvermittelt zu, manchmal wusste man wirklich nicht, wofür man diese Backpfeife oder jenen Hieb bekommen hatte.
    Günther Neuhardt war ein grauer, ganz kleiner Kerl, keine 1,60 groß. Wer weiß, vielleicht hatte er auch ein sexuelles Problem. Auf jeden Fall jedoch steckte in ihm ein ausgemachter Sadist. Dieser Typ hatte, genau wie sein Vorgänger Henn, regelrecht Spaß am Prügeln, Spaß an der Macht, die er über uns ausübte. Der konnte mir in der Hinsicht absolut nichts vormachen, denn diese dreckige Lust habe ich ihm aus den Augen gelesen. Eines Tages jedoch wurde der Spieß umgedreht, und zwar von Dieter Zander und einem weiteren Mitschüler namens Diwinski. Zwei Bären waren das für unsere Verhältnisse damals, die saßen in der letzten Reihe und machten sich nicht viel aus der Schule. An jenem Tag bekamen wir zur Aufgabe, die Karte von Österreich zu malen. So richtig mit Bergen, Flüssen und Grenzverlauf. Weil ihm das jedoch zu viel war, pauste Dieter dieses Land einfach von einer Weltkarte in unserem Atlas ab – unstrukturiert und klein wie ein Marzipankartöffelchen.
    Weil auch sein Banknachbar Diwinski nichts vorzuweisen hatte, mussten die beiden die Klasse verlassen. Bald darauf folgte ihnen der Neuhardt, und wir hörten aus dem Flur jene Grunzlaute, die man von sich gibt, wenn man einen Schlag in den Magen bekommt. Neuhardt

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