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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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waren. Und dann hörten wir seinen langen Schornsteinfegerpfiff, und für uns hieß es: Sofort runter auf die Straße, der Chef will kontrollieren, ob wir fleißig bei der Arbeit sind! Manchmal hatte er auch was mit dem Moritz zu bekakeln, und wir gingen ein Bier trinken. Eckkneipen gab es überall, wo wir fegten.
    Heinz Esser fehlte es wahrlich nicht an Statussymbolen. Er hatte ein eigenes Jagdrevier gepachtet, in das er immer wieder einmal zum Schießen verschwand. Und dorthin fuhr er mit einem für die Sülzer Gegend extrem auffälligen Auto, einem nagelneuen dunkelgrünen Porsche Super 90. Hat mir immer schwer imponiert, wenn er mit diesem Wagen durch die Straßen fuhr. Dass er mich offensichtlich mochte, erleichterte meine Stellung ein wenig. Schlimm wurde es aber immer, wenn er mich nach Helmut Moritz ausfragte. Der war dann am Vortag wieder mal verschwunden und hatte mich mit der Arbeit allein gelassen. Eigentlich kein Problem für mich: Ich habe die anstehenden Jobs auch allein abgearbeitet, denn ab dem zweiten Lehrjahr hatte ich schon alle handwerklichen Sachen weitgehend drauf. An solchen Morgen jedoch steckte ich immer in einer schrecklichen Zwickmühle, weil ich den Helmut decken musste. Schließlich war er mein Geselle, und den verrät man nicht. Aber das bedeutete eben zugleich, dass ich meinen Meister belügen musste.
    Dass ich nicht die Wahrheit erzählte, hat er mir natürlich an der Nase angesehen. Damals, Anfang der 60er-Jahre, sind viele Lehrlinge noch von ihren Chefs geschlagen worden. Da hagelte es Arschtritte und Backpfeifen. Ich war zwar immer der Prellbock zwischen Meister und Geselle, aber Schläge habe ich nie bekommen. Auch Helmut Moritz, wegen dem ich diese ganzen Schwierigkeiten hatte, war eigentlich in Ordnung. Der kam aus Norddeutschland, und so wirkte er auch.
    Immer kühl und distanziert, ein harter Brocken. Nur wenn er was getrunken hatte, guckte er immer ein bisschen seltsam aus der Wäsche. An diesem Blick erkannte ich immer sofort, dass er mal wieder besoffen war. Und wusste, jetzt wird er wieder weicher.
    Mit dem Chef gab es dann furchtbaren Zoff, aber irgendwie haben sich die beiden immer wieder zusammengerauft. Heinz Esser hätte diesen Mann nie entlassen wegen der Trinkerei. Ich verstand auch nicht, weshalb es immer wieder so weit kam. Manchmal blieb er tage- oder sogar wochenlang sauber, aber irgendwann, unweigerlich, hing er wieder an der Flasche. Helmut lebte mit seiner Familie in Ehrenfeld, aber über seine Ehe weiß ich nichts. Schon damals dachte ich: Diese Erwachsenen leben alle in einer seltsamen, für mich unergründlichen Gefangenschaft, der Esser genau wie der Moritz. Heutzutage käme man vielleicht auf die Idee, dass er nicht einfach nur Alkoholiker, sondern auch depressiv gewesen ist. Keine Ahnung, ich weiß nur, dass er irgendwann tot war. Der Helmut hat sich umgebracht.

UND PLÖTZLICH FÄRBTE SICH ALLES ROT
    Eigentlich hatte ich von der ersten Sekunde an gewusst, dass die Schornsteinfegerei nichts für mich war. Ich wollte Musiker werden, nichts anderes. Ich glaube sogar, dass das auch Heinz Esser klar war, zumindest hat er es gespürt. Dass ich mir während der Lehre meine langen Haare abschnitt, war kein Akt der Anpassung. Wenn man dieses schwarze Käppi der Schornsteinfeger trägt und darunter lange Haare heraushängen, sieht das einfach scheiße aus. Deshalb mussten die ab.
    Der Esser wusste, dass ich trommelte, und merkte, dass ich morgens so manches Mal total am Ende war wegen der Gigs am Vorabend. Vor allem montags hing ich oft dermaßen durch, dass ich es nicht pünktlich zum Frühstück bei Essers packte. Aber anstatt sauer zu werden, hatte er Mitleid. Manchmal schusterte er mir an solchen Tagen Arbeiten zu, die man bei ihm im Haus erledigen konnte. Der Esser hatte unten eine kleine Werkstatt mit neuen Leinen, Besen und anderem Arbeitszeugs. Und statt auf irgendeinem Dach herumzuklettern, habe ich dann dort aufgeräumt.
    Später, als ich schon mit den Fööss unterwegs war, habe ich Heinz Esser noch hier und da getroffen. Einmal, ich glaube im Interconti , spielten wir auf einer Schornsteinfegersitzung. »Schwazze Kääls« hieß der Verein, und Heinz Esser war auch dabei. Mein alter Meister war stolz auf mich. Der konnte seinen Kollegen erzählen: »Luur ens, dä Jung do, dä es bei mir in de Liehr jejange.«
    Dass ich immerhin anderthalb Jahre ausgehalten habe, hat sicherlich mit meinem Vater zu tun. »Du musst was Anständiges lernen« – das war

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