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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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seine Einstellung, und deshalb hatte er mir auch die Lehrstelle besorgt. Ich wiederum dachte, ich schaffe die Lehre trotz der Musik. Einfach aufzugeben, das hätte ich als Niederlage empfunden. Ich wollte um keinen Preis schlappmachen, auch den Essers gegenüber hätte ich dann ein schlechtes Gewissen gehabt. Seltsamerweise rettete mich vor dem vermeintlichen Schlappmachen ausgerechnet eine Krankheit. Eines Tages stehe ich während der Berufsschule am Pinkelbecken, und plötzlich färbt sich alles rot. Ich pinkle Blut.

WEIHNACHTSSKAT
    Die Ursache dafür, das stellte sich dann heraus, war eine schwere Nierenentzündung. Wenn man wie ich den ganzen Tag über bei der Arbeit raus und rein muss, immer vom Warmen ins Kalte und zurück, dann kann das schon mal passieren. Dass ich mit solch einer Sache aber dreieinhalb Monate im Krankenhaus verbringen sollte, war nun wirklich nicht abzusehen. Es war nicht so, dass ich in dieser Zeit unter Schmerzen litt. Eigentlich wusste ich bald gar nicht mehr, warum ich dort lag, das kam mir alles so absurd vor. Aber der Arzt hatte mir strengste Bettruhe verordnet.
    Es war noch gar nicht lange her, dass ich die Scheuermann’sche Krankheit hinter mich gebracht hatte, auch eine verdammt langwierige Sache. Dabei reiben sich die Rückenwirbel aneinander, und auch das hatte möglicherweise mit meinem Job zu tun. Schließlich musste ich als Heranwachsender tagaus, tagein schleppen bis ultimo. Und kaum war die eine Sache ausgeheilt, kommt diese verdammte Nephritis. Zum Glück gab es an der Uniklinik einen ganz tollen Arzt. Dem habe ich in einem stillen Stündchen, fast am Ende jener 14 Wochen, mal reinen Wein eingeschenkt: »Hören Sie, ich kann das nicht mehr machen, diese Lehre frisst mich auf«, habe ich zu ihm gesagt. »Ich will das nicht mehr, das ist der falsche Job für mich.« Dass dieser Oberarzt mir zugehört hat, war ein großes Glück für mich. Er kannte meinen Vater, ebenso die Vier Botze. Und er sah auch, dass ich immer Besuch von Musikern bekam. Vor allem Wilfried »Fibbes« Dormagen von meiner damaligen Band Black Birds kam oft vorbei. Ohne mich spielten die nicht, und das Einzige, was ich seinerzeit spielte, war Skat. Beigebracht hatte mir das ein kleiner, dicklicher Mann, der auch irgendwo auf meiner Station lag. Eine sehr blaue Nase hatte er, eigentlich war sein ganzes Gesicht blau – wie bei einem Schlumpf. Aber wenn er einer war, dann der Skatschlumpf, der Mann konnte zocken. Und als Dritter im Bund diente uns der Typ im Bett neben mir. Ich lag sowohl zu meinem 14. Geburtstag im November als auch über Weihnachten im Krankenhaus. Gut möglich, dass ich diese Feste vor allem mit Skatspielen verbracht habe.
    Auch Mädels aus dem Star-Club standen bei mir ums Bett. Die wollten mal nachsehen, wie es dem kleinen Trommler geht, der vor seiner Krankheit Abend für Abend in ihrem Stammschuppen gespielt hatte. In meinem Krankenzimmer war also immer was los, und dieser Oberarzt bekam das alles mit. Irgendwann nahm er sich meinen Vater zur Brust. So eine Nierenentzündung könne jederzeit wiederkommen, erklärte er, vor allem in meinem Beruf. Auch meinem Meister machte er klar, dass die Schornsteinfegerei für mich in Zukunft nicht ganz ungefährlich wäre. Deshalb gab er den beiden den guten Rat, mich von dieser Lehre loszueisen. Und das war es dann. Nach anderthalb Jahren war ich endlich erlöst vom Ruß, von der Kälte und nicht zuletzt von den ewigen Querelen zwischen Meister und Geselle. Heinz Esser hat diesen Verlust geschluckt, aber es war ein harter Schlag für ihn. Nicht so für meinen Vater. Der hat sich auf dem Absatz umgedreht und gesagt: »Na gut, dann will der Junge also tatsächlich Musiker werden. Soll er ruhig, aber wenn, dann richtig.«

DER JUNGE MACHT SEINEN WEG
    Der dreimonatige Krankenhausaufenthalt, so unangenehm er war, hatte noch mehr Gutes: Ich war im Liegen um ganze 14 Zentimeter gewachsen! Als meine Mutter mich abholte und ich endlich wieder in meine Straßenhose steigen wollte, reichte sie mir nur noch bis knapp unters Knie. In der Schule und auch in meinen Bands war ich immer der Kleinste gewesen. Auch jetzt steckte ich den Kopf nicht gerade in die Wolken, aber 14 Zentimeter, das bedeutete schon einen enormen Schub für mich.
    Mein Vater hatte mich, ganz im Sinne seiner neuen Pläne, auf der Rheinischen Musikschule angemeldet. Bei der Aufnahmeprüfung dort spielte ich »Take Five« von Dave Brubeck vor, das war schon mal ziemlich ungewöhnlich. Wie der

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