Du bes Kölle: Autobiografie
So wie der vorging, hat er das Schlagzeugspiel praktisch neu erfunden. Man denke nur an einen Song wie »Come Together«. Ringo hat immer einen originellen Weg gefunden, um die Songs der Beatles zu transportieren. Und so wie er wollte ich auch spielen.
RÜSCHENHEMDEN, BEATLES-BOOTS
UND SCHWARZER KAFTAN
Das Schlimmste an diesen Nächten im Star-Club oder Storyville war, dass ich am nächsten Morgen beim Esser auf der Matte stehen musste. Meine Schornsteinfegerlehre war mir ein massiver Klotz am Bein, zumal wir mit den Black Birds bald auch weiter entfernte Gigs spielten.
Die Kalker Burg etwa war eine Kneipe in jenem rechtsrheinischen Stadtteil, und gegenüber lag Theos Bierbar. Die wiederum befand sich in einer alten Kriegsbaracke, ganz klassisch: Obenrum war alles weggebombt, das Haus bestand lediglich aus dem Parterre und einem Flachdach. Die Kalker Burg hingegen verfügte nach hinten raus immerhin über einen Saal. Und der hat uns gefallen, dort wollten wir auftreten. Also fragten wir die Wirtin, und offenbar kamen wir ihr ziemlich gelegen. »Wenn ihr hier abrocken wollt«, meinte sie, »dann renoviert ihr mir vorher mein Sälchen.« Wir hatten zu der Zeit sogar schon so etwas wie einen Manager, aber wie die Dinge lagen, hatten wir die Bedingungen der Wirtin zu akzeptieren. Und das hieß dann: tagelang Wände streichen, Bühne bauen, alles herrichten. Der Gig, den wir in der Kalker Burg schließlich absolvierten, entwickelte sich allerdings zum Desaster, da war kaum etwas los. Möglicherweise hielt sich die Nachfrage in Grenzen, weil gegenüber in Theos Bierbar eine damals weitaus bekanntere Band auftrat: die Tommy Guns, zu denen unter anderem mein späterer Kollege Frieder Viehmann zählte.
Bei den Black Birds trug ich eine blaue Hose mit ziemlich weitem Schlag. Wenn ich die auszog und in die Ecke stellte, blieb sie stehen. So steif war die, aber eben zugleich auch ziemlich cool. Besonders gern trug ich auch meine Beatles-Boots – halbhohe Lederstiefel mit einem ordentlich Absatz und nicht ganz so spitz wie manche Cowboystiefel. An der Seite befand sich ein Gummizug, und hinten an der Ferse gab es eine Schlaufe zum Anziehen. Zum Schlagzeugspielen waren diese Teileklasse, in denen hatte ich immer ein gutes Gefühl. Jenseits dessen war meine Zeit mit den Black Birds stark durch die Kinks geprägt. Zeitweise kopierten wir sogar deren komplettes Outfit. Auf einem ihrer LP-Cover tragen die Kinks knallgelbe Rüschenhemden und darüber wunderschöne weinrote Samtjacken. An solche Sakkos kamen wir leider nicht, hätten wir uns auch nicht leisten können. Die Hemden jedoch haben wir nachgemacht.
Zum Glück gab es die Mutter von Roland Pesch, unserem Bassisten. Die hat uns diesen Rüschenbesatz auf weiße Hemden genäht und das Ganze dann gelb gefärbt. Aber wenn ich mich recht entsinne, wurden wir damit nicht besonders lange glücklich. Die Hemden bestanden nämlich aus einem ganz speziellen Stoff: Nyltest. Das war eine Modefaser der 60er-Jahre, und auch bei Hausfrauen galt die als der letzte Schrei. Kleidungsstücke aus diesem Material zogst du einmal durchs Wasser, dann waren sie sauber. Und obendrein glatt, ohne gebügelt werden zu müssen.
Aber Nyltest war zugleich auch ein ganz furchtbares Zeug, komplett künstlich und absolut luftundurchlässig. In so einem Hemd schwitzte man wie ein Affe, und der Geruch nach Schweiß und Kunststoff war einfach unerträglich. Wie unnatürlich dieser Stoff war, merktest du je nach Beleuchtung auch in den Clubs, in denen wir spielten. In Nyltest-Hemden leuchtetest du wie ein Außerirdischer, und zugleich wurde das Hemd durchsichtig. Bei Schwarzlicht sah das Publikum dein Feinrippunterhemd – und damit wurde jeder Showeffekt ins Gegenteil verkehrt. Was wir auch nach der Nyltest-Phase beibehielten, war das einheitliche Outfit. Das gehörte damals einfach dazu, auch die Beatles traten bald nach ihrer Gründung nur noch mit den gleichen Anzügen auf. In ihrer Hambuger Zeit waren sie noch mit Lederjacken herumgelaufen. Aber als dann Brian Epstein ihr Manager wurde, war es vorbei mit dem Rockerimage.
Auch meine Bands wurden im Laufe der 60er von allen möglichen Modewellen infiziert. Man denke nur an die Hippieära, San Francisco, die Blumenkinder und so weiter. Ich habe noch eine Jacke aus dieser Zeit im Schrank hängen, kunterbunt und mit rotem Innenfutter. Wenn ich die heute sehe, denke ich: Eigentlich unterscheidet sie sich nicht groß von einem alten Brokatvorhang. Nicht
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