Du bes Kölle: Autobiografie
Haufen alter Böcke. Und vor dem bauten wir uns nun auf, genau so, wie wir immer rumliefen: lange Matten und Erry mit seinem großen Revox-Kasten, diesem Röhrengerät. Auf dem war der Senkel, also unser Band mit den beiden Songs.
Wir haben dort keine Kratzfüße gemacht, denn wir hatten nichts zu verlieren. Mir jedenfalls wäre es völlig schnuppe gewesen, wenn die uns abgelehnt hätten. Aber immerhin, sie fragten uns, was wir zu bieten hätten. Und der »Rievkooche-Walzer« geht ja recht lustig los, der hatte Druck nach vorn. »Das war aber schön!«, meinten die Literaten, also legten wir mit der »Selverhuhzick« nach.
Am Ende wurden wir angenommen, wenn auch mit einer Portion gnädiger Herablassung, so à la: »M’r soll jo keine junge Hungk versäufe, wemmer nit weiß, wat us im weede kann.« Und in jener ersten Session haben wir dann direkt um die 40 Karnevalsauftritte absolviert. Damals gab es pro Auftritt 80 Mark, für jeden einen Zehner, und der übrige Zwanziger ging in die Bandkasse. Die Scheine habe ich dann zu Hause am Grengeler Akazienweg, wo wir mittlerweile wohnten, im Küchenschrank aufeinandergestapelt. Und Irmgard konnte sich zum Einkaufen immer einen von oben wegnehmen.
DIE WOLLEN DIE BÜHNE STÜRMEN!
Auf den Bühnen der Karnevalssitzungen waren wir genau wie zuvor in der Leila ziemlich bunte Hunde. Zu den langen Haaren kam noch unser seltsames Outfit: Ich trug zum Beispiel eine abgeschnittene Hose und überm nackten Oberkörper eine vergammelte Frackjacke. Anfangs machten wir auch unserem Namen noch alle Ehre und zogen uns vor jedem Auftritt die Schuhe aus. Als wir das zum ersten Mal im schicken Gürzenich praktizierten, wurden die Kellner völlig panisch und riefen lauthals nach ihrem Chef: »Herr Blatzheim, um Gottes willen. Da sind drei Kerle, die wollen die Bühne stürmen, die haben schon die Schuhe ausgezogen.« Die haben gar nichts geschnallt, und dennoch stand hinter unserer äußerlichen Erscheinung eine klare Aussage: »Mir kumme vun d’r Stroß, un jetz simmer he!«
So sah ich das jedenfalls. Wir waren aufmüpfig, grundsätzlich dagegen, aber eben auch mit der Absicht angetreten, es dem Establishment mal richtig zu zeigen: »Hier steht die Jugend, wir sehen anders aus als ihr, aber eure Musik können wir trotzdem. Und sogar bessere.« Denn auch musikalisch fielen wir aus dem Rahmen. Man muss dabei bedenken: E-Gitarren im Karneval – das gab es vorher nicht. Genauso wenig wie Beatrhythmen. Was damals geschah, kann man durchaus mit einer kleinen Revolution vergleichen, von der heute viele kölsche Bands profitieren. Für uns war das eigentlich ein bruchloser Übergang, wir haben unsere Erfahrungen und Vorlieben aus der Beatphase mit in die kölschsprachige Musik genommen.
Nur mit den nackten Füßen, das hielten wir nicht lange durch. Rein in den Bus, raus aus dem Bus, raus aus den Socken, rauf auf die Bühne, rein in die Socken, rein in den Bus – das war einfach ein unglaublicher Stress. Immer war einer von uns erkältet, und ich hatte zudem ja schon als Kind jene schwere Nierenentzündung gehabt. Also wurde uns ziemlich schnell klar, dass wir diesen Stunt nicht beibehalten konnten. Karneval findet bekanntlich im Winter statt, also musste man zwischen den Auftritten immer wieder in die Kälte. Die Säle waren feucht und verraucht, ihre Bühnenböden jedoch oft extrem eisig. Da fror man sich die Zehen ab. Eine Zeit lang trug ich auf dem Weg zum Mikro immer einen Teppich unter dem Arm. Auf den passten wir alle drei: Erry, Peter und ich. Denn am Anfang standen wir stets nur zu dritt auf der Bühne, also als Gesangstrio und nicht als Band. Die anderen arbeiteten stattdessen im Hintergrund, indem sie die jeweiligen Sitzungsbands mit unseren Noten versorgten.
Als wir ein Jahr später dann nicht mehr barfuß auftraten, kamen natürlich von überall her die Sprüche: »Ihr hat jo Schoh an!« Genervt hat das schon. Aber was will man machen?
AM ARSCH DER WELT
Für unser erstes Bühnenprogramm im Karneval hatte unser eigenes Repertoire noch nicht ausgereicht. Deshalb spielten wir zum »Rievkooche-Walzer« noch »Drink doch eine met«, »En d’r Kayjass« und eben »Heimweh nach Köln«. Mit diesem Song waren wir vertraut, und wenn ich den mit meiner damals glasklaren Stimme vortrug, fingen die Augen im Saal an zu glänzen.
Unter musikalischen Gesichtspunkten waren diese ersten Karnevalsauftritte jedoch grausam. Die Musiker der Saalorchester waren Profis, na klar.
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