Du bes Kölle: Autobiografie
dachten wir an irgendetwas in Richtung »Kakofonie«, um auf die Vielstimmigkeit der Bewegung anzuspielen. Ich bin letztlich nicht mitgefahren, aber die Jungs hatten viel Spaß beim Zug. Arno Steffen war dabei, Jürgen Zeltinger, die ganze Bande. Die haben über fette Boxen laute Musik gemacht und teilweise sogar selbst gespielt. Das war alles in Ordnung. Aber als es anfangs um den Wagen ging, hatte Zugleiter Alexander von Chiari zum Arno gesagt: »Tu mir einen Gefallen: Ihr könnt alles auf den Wagen schreiben. Ävver nix met Kacke.«
DER HERR KOLVENBACH
Ärger gab es selbst um Songs, bei denen man nun wirklich keine spitze Note heraushören konnte. Zu »De Mama kritt schon widder e Kind« bekamen wir einmal einen Brief von einem Herrn Kolvenbach aus Zollstock. Darin empörte er sich darüber, wie man das Thema Schwangerschaft derart respektlos behandeln könne. Ein ellenlanges Schreiben war das, mit dem Tenor: Dieses Lied müsste verboten werden!
Das war natürlich totaler Schwachsinn. Erry hatte beim Schreiben an mich gedacht. Kein Wunder, denn zum einen kam ich aus einer großen Familie, und zum anderen hatte ich damals selbst schon drei Kinder. Und mit dem Hinterhof, in dem die beiden Familien aus dem Song wohnen, kam noch eine Portion Milieu und Veedel ins Spiel. Als wir dann 1976 »Damenwahl im Stammlokal« schrieben, haben wir diesen militanten Nörgler aus Zollstock verewigt:
Un en d’r Eck setz hell un wach
us Zollstock dä Herr Kolvenbach
singer Frau so vis-à-vis.
Und hä versteiht de Welt nit mih
»Au wei oh wei, hät he en dem Lokal
dann keiner usser mir Moral?«
Außer uns verstand diesen Gag niemand – abgesehen von Herrn Kolvenbach. Aber das machte die Sache für uns nur umso lustiger. Es gibt viele solche Geschichten, die zeigen, dass die Fööss als Band funktionierten und ihren eigenen Humor hatten. Ein guter Teil unseres Erfolges basierte auf dem Witz und den Unterschieden der einzelnen Mitglieder. Es ist eine banale Wahrheit, dass Differenzen fruchtbar sein können. Und zwischen den sechs Fööss gab es bedeutende – von der sozialen Herkunft bis zum musikalischen Background. Stopf sechs Würfel in einen Becher und schütte ihn aus: Wenn sechs Sechsen, eine schöne Straße oder sonst eine Harmonie entsteht, hast du gewonnen.
Wir waren definitiv eine Band damals, mit allem, was dazugehört. Eine verschworene Gemeinschaft, obwohl wir aus ganz verschiedenen Ecken kamen. Ich mache das immer gern an der Zigarettenmarke fest: Peter kam aus Ehrenfeld und rauchte Ernte 23. Ich rauchte zu der Zeit HB, genau wie der Hartmut. Erry wiederum schwor auf Stuyvesant.
Heutzutage raucht jeder Marlboro, da kann man nicht mehr auf den Charakter schließen. Wer das jedoch aufgrund meiner Kippenaufstellung nun versuchen möchte, sei herzlich eingeladen.
DER QUERLÜFTER
Mit dem Rauchen angefangen hatte ich als 13-, 14-Jähriger. Die Oma eines Nachbarsjungen führte auf der Berrenrather Straße ein Tabakgeschäft. Dort stibitzte Bruno uns regelmäßig ein Päckchen WY-Chester-Filter. Aber Filterkippen waren dann irgendwann nichts mehr für mich. Immer dieses fade Gefühl, dieser schwammige, labbrige Filter – bäh! Also bin ich auf Reval umgestiegen, ganz tolle filterlose Zigaretten.
In der Fööss-Zeit habe ich sogar eine Weile Selbstgedrehte geraucht. Ich dachte mir: Ich bin Drummer, also rauche ich Drum. Erry hat mich beim Kurbeln oft beobachtet: »Mein Gott, Tommy«, sagte er manchmal, »was baust du da wieder für ein Kunstwerk?«. Der hat nie verstanden, wie man das Anstecken einer Kippe so lange hinauszögern kann. Denn er selbst fluppte eine nach der anderen. Für mich hingegen war das Basteln ein vergnügliches Handwerk. Ich könnte noch heute eine wunderschöne Zigarette drehen, ganz gerade und gleichmäßig, so etwas verlernt man nicht.
Eines Tages jedoch hatte ich genug vom Rauchen. Ich entsinne mich nicht mehr, zu welchem Anlass. Ich habe von einem Moment auf den anderen keine Kippe mehr angefasst. Die ganze Jammerei und der Schmu mit Pflastern und Entziehungskuren kann mir gestohlen bleiben. Du kriegst ja keinen Cold Turkey, nur weil du keine Zigaretten mehr rauchst. Wenn du aufhören willst, dann läuft das nur über den Kopf. Du musst die Entscheidung treffen und dann durchziehen.
Nach sechs Jahren ganz ohne Tabak verfiel ich 2000 auf Zigarren, und sie wurden meine neue Leidenschaft. Schuld daran ist Bernd Schroeder, der Schriftsteller und Drehbuchautor. Damals war er noch mit Elke
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