Du bes Kölle: Autobiografie
Selbstverständlich konnten die einen Song wie den »Rievkooche-Walzer« vom Blatt abspielen, und genauso die »Kayjass«. Aber die spielten das nie so, wie wir das Lied verstanden hatten. Mal stimmte das Tempo nicht, mal dies, mal jenes. Schon im zweiten Jahr haben wir deshalb gesagt: So wird das nichts. Wir müssen alle sechs auf die Bühne, mit all unseren Instrumenten: den zwei Akustikklampfen von Erry und Peter, Hartmuts Bass, Bömmels E-Gitarre, dem Akkordeon von Joko Jaenisch und meinem Tambourin.
Schließlich setzten wir uns durch, nicht zuletzt, weil wir auch im Sitzungskarneval schnell eine feste Größe wurden. In der Zwischenzeit hatten wir auch unser Repertoire an kölschen Songs vergrößert. Mit Liedern wie »De Mama kritt schon widder e Kind«, »Mer losse d’r Dom en Kölle« und so weiter rissen wir die Säle komplett ab. Und hinter uns kam lange gar nichts.
Früher saßen die Leutchen noch in Smoking und Sonntagskleid an den Tischen. Da war man noch nicht durchweg kostümiert, und so laut gebrüllt wie heute wurde auch noch nicht. Aber bei uns kochte der Saal! Die Präsidenten wussten manchmal gar nicht, was sie sagen sollten. Die waren mundtot, die wussten überhaupt nichts mehr. Die Fööss sind gestartet wie ein Lauffeuer, das sich unaufhaltsam ausbreitete. Ich habe ihn gespürt, diesen Erfolg. Und zu der Zeit habe ich ihn auch genossen.
Natürlich gab es viele, vor allem unter den offiziellen Karnevalisten, die unseren Erfolg mit eher verhaltener Freude betrachteten. Für die war unser Habitus ein Gräuel. Oft kroch mir von hinten, vom Elferrat her, die Kälte in den Nacken, während vorne die Post abging. Manche unserer Lieder waren im Karneval nicht gut gelitten, die standen quasi auf dem Index. Dazu gehörte etwa der Song »Am Arsch der Welt« (Morje Morje, 1982), denn da heißt es unter anderem:
Die Flich für jede Fetz vun 18 Johr
es tauchlich ze sin für’t Militär.
Manch einer es stolz dodrop
un liert et einfach nie,
ne andre sät: »Scheeße deit doch wih.«
Doch bes de eets en Zick dobei,
kütt et dir am Hals erus
un sähs: »Am leevste noch hück am Dach
jing ich ze Fooß noh Hus.«
Dass ich selbst nie bei der Bundeswehr gelandet bin, verdanke ich unter anderem Hartmut Priess. Der war Jurist, der kannte ein paar Rechtsanwälte und ein paar Tricks. Immer wieder wurde ich zur Musterung geladen, immer wieder schob ich eine Krankheit vor. Und dieses Spielchen haben wir so lange hingezogen, bis dank der SPD eine neue Verordnung griff. Verheiratete mit Kindern sollten fortan nicht mehr eingezogen werden. Mir ist damals ein Stein vom Herzen gefallen. Ich musste nicht zum Bund, und ich nehme an, das war auch mein Glück. Denn wer weiß, wie es sonst mit den Bläck Fööss weitergegangen wäre ...
Die anderen waren alle schon durch den Schlamm gerobbt. Diese Nummer, »Am Arsch der Welt«, gibt wieder, was sie beim Bund so alles erlebt hatten. Die Aufnahme dafür entstand praktisch wie ein Hörspiel: Draußen, bei Conny Plank in Wolperath, marschierten wir zu sechst über den Hof, das wurde eins zu eins aufgenommen. Heutzutage würdest du für so eine Geräuschkulisse auf einen Knopf drücken. Aber damals wurde alles mikrofoniert, und King Size Dick bellte dazu als Spieß im Kasernenhofton. Ein großer Spaß, aber im Karneval bekam man mit so einer Nummer schnell Gegenwind.
NIX MIT KACKE
Im Publikum der 70er-Jahre saß wahrscheinlich noch ein großer Anteil ehemaliger Wehrmachtssoldaten. Denen gegenüber fuhr man mit dem »Rievkooche-Walzer« natürlich sicherer. Aber für uns war es ganz normal, über das zu singen, was wir erlebt hatten, auch wenn man damit im Karneval hin und wieder aneckte.
Wenn du im Gürzenich stehst und singst das »Kackleed«, sinkt das Barometer auf Eiszeit. Du fragst dich: »Bin ich damit schon zu weit gegangen? Das ist doch ein uraltes Lied, im wahrsten Sinne ein Gassenhauer, den die Leute auf der Straße singen. Kacken macht uns alle gleich, und darum geht es doch auch im Karneval! Oder habe ich da irgendwas falsch verstanden?«
Kacke müsse och de Nonne
Buure kacken en de Tonne
Die Knäächte un die Mägde, die kacken in d’r Stall
Kinder, dat sin Puute, die kacken övverall.
Aber manche Leute meinen wohl, sie seien etwas Besseres. Die kacken goldene Eier.
Mit der AG Arsch Huh durften wir mal einen eigenen Wagen für den Rosenmontagszug gestalten. Ein großes Zugeständnis, aber auch dieses hatte Grenzen. Bei der Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten
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