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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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DENN HIER DEUTSCHER?
    Hannys Haus lag am Hang. Ein kleines Einfamilienreihenhaus mit einer ewig desolaten Straße davor. Die Rue Brüll bestand praktisch nur aus Schotter, und gegenüber fuhrwerkte die Spedition Plümeckes, aus deren Tor den ganzen Tag dicke Lkw gefahren kamen. Wegen denen wurde es bei Hanny schon mal ein bisschen lauter, aber trotzdem habe ich die Gegend als ausgesprochen idyllisch in Erinnerung. Dort spielte man auf unumzäunten Weiden voller vertrockneter Kuhfladen. Dort war es immer grün, und man blickte auf wunderschöne bunte Sommerwiesen und die Ausläufer der Ardennen. Für ein Stadtkind wie mich ein großartiges Panorama.
    Meine engsten Freunde in Dolhain waren André, Jean-Claude und Jean-Marie, mein Neffe. Auch Ursula war immer mit dabei, schließlich war sie nur ein halbes Jahr jünger als ich. An ihr kann man auch den gewaltigen Zeitumfang festmachen, in dem meine Familie entstanden ist. Hanny, also meine Schwester und Ursulas Mutter, war immerhin 22 Jahre älter als ich. Das bedeutet: Meine Mutter (mit mir) und Hanny (mit Ursula) waren zur gleichen Zeit in anderen Umständen! Und eine andere Tochter von Hanny, Rosmarie, ist sogar älter als ich. Als ich geboren wurde, war ich also schon Onkel. So lief das bei den Engels.
    Durch den Altersunterschied hatte Hanny immer auch etwas Mütterliches für mich. Ihr Mann Jean Hagelstein war Experte für Dieselmotoren. Die beiden hatten sich ursprünglich in Brüssel kennengelernt, und auch dort hatte ich sie schon manchmal besucht. Eine ganz frühe Erinnerung von mir ist mit dem Brüsseler Flughafen und den Sabena-Hubschraubern verbunden, die dort landeten. Die fand ich klasse! Und warum? Weil man mir erklärt hatte, dass die von hier aus weiter nach Köln fliegen. Dort gab es damals stadtauswärts auf der Venloer Straße, links vor der Inneren Kanalstraße, tatsächlich einen Hubschrauberlandeplatz. Das weiß kaum noch jemand heutzutage, aber es ist wahr. Sikorsky hießen deren Maschinen, das waren himmelblaue Riesenhubschrauber mit markant designten Beulen vorn am Cockpit. Und die flogen im ganz normalen Personenverkehr immer die Strecke Köln–Brüssel–Köln. Wenn der Rotor loslegte, pustete er dir die Mütze vom Kopf – für einen kleinen Panz ein echtes Spektakel.
    Jean hatte mit meiner Schwester eine tolle Partie gemacht. Hanny war temperamentvoll, klug, belesen und immer voller Tatendrang. Aber auch Jean war ein resoluter Kerl. Alle Pänz aus der Rue Brüll hatten großen Respekt vor ihm. Beim Essen saßen wir Kinder immer schweigend am Tisch. Niemand sprach ein Wort, bis Jean irgendwann begann, die ein oder andere Frage zu stellen. Nur er durfte die Stille brechen.
    Einmal musste Jean mich aus einer richtig miesen Sache herauspauken. Das war eigentlich das einzige Mal, dass ich in Belgien mit der Nazizeit konfrontiert wurde. Ich muss damals schon elf oder zwölf gewesen sein, und wir waren per Bus nach Verviers gefahren, in die nächstgrößere Stadt. Meine Kumpels waren alle mit dabei, genau wie Ursula. Aber sie sprach fließend Französisch, ich nicht. Und das sollte mein Problem werden. Der Bahnhof schien uns zunächst der ideale Spielplatz. Mutig, wie man in dem Alter nun mal ist, sind wir auch ein bisschen über die Gleise gelaufen. Als die Bahnhofspolizei das spitzkriegte und uns zusammentrommelte, merkten die schnell, dass ich Deutscher war. Und dann haben die mich festgenommen, einfach so.
    Meine Freunde hatten genauso auf den Gleisen gespielt, aber die ließen die Polizisten laufen. Mir war zuerst gar nicht klar, in welcher Lage ich mich dort befand. Ich dachte, gleich kommt die Hanny und holt mich ab. Aber sie kam nicht. Stattdessen stand nach endlosen Stunden Jean Hagelstein im Zimmer. Für den Auftritt, den er da in Verviers auf der Polizeistation hinlegte, werde ich ihm auf ewig dankbar sein. Jean hat diese Gendarmen unglaublich zur Sau gemacht, so à la: »Was heißt denn hier Deutscher? Das ist doch noch ein kleiner Junge, welch eine Unverschämtheit, den hier festzuhalten!« Ich konnte kaum etwas verstehen, obwohl ich natürlich immer das Wort »Nazi« heraushörte. Jedenfalls wurden die Beamten dort immer kleiner und kleiner. Und am Ende hat mein Onkel mich einfach nach draußen gezogen, und wir fuhren nach Hause.
    Ich hatte es bis dato nie erlebt, dass jemand zu Beamten laut wurde. Das hat mir wirklich imponiert. Erst viel später erfuhr ich von dem historischen Hintergrund, der diese Polizisten angetrieben haben

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