Du bes Kölle: Autobiografie
langsam wusste ich nun: »Du kannst das.« Und 1999 sollte endlich mein erstes Album erscheinen – mit selbst geschriebenen Songs. Deshalb hieß die Platte auch »100% Tommy Engel«.
Einen Gedanken, eine Erinnerung in Sprache zu kleiden, ist meines Erachtens das Schwierigste überhaupt beim Songwriting. Das kann vieles kaputt machen. Vielleicht hat ursprünglich eine ganz echte, ehrliche Idee dahintergesteckt. Aber wenn man nicht die passenden Worte findet, kommt etwas furchbar Ungesundes dabei heraus. Dann klingt die Sache albern, kitschig, verlogen. Dass es diese Fallen gibt, wusste ich immer. Deshalb hatte ich auch stets den größten Respekt vor den Songschreibern. Gleichzeitig jedoch war da immer der Spaß daran, mit der Sprache ein bisschen zu würfeln. Auf jenem ersten Soloalbum gibt es zum Beispiel den Song »Do es jo de Oma«. Ursprünglich war das ein Schmalzstück von Zucchero: »Senza una donna«. Hat er 1991 mit Paul Young eingesungen, der stimmlich auch so ein ganz Weicher war.
Ich mag es sehr, nach einer phonetischen Vorlage zu arbeiten, egal aus welcher Sprache die kommt. Für mich begann die Übersetzung ins Deutsche mit lustigen Wortspielen. Als ich diesen Refrain hörte, kamen mir dazu sofort Entsprechungen in den Sinn. Keine wörtlich übersetzten, sondern welche, die stattdessen ganz ähnlich klangen: »Do fählt jo e Komma« lautete eine der ersten Varianten, denn damals war gerade die Rechtschreibreform in aller Munde. Zu dem Thema hätte ich sicher auch schnell einen Text gefunden, das ist ja ein dankbares Feld. Aber meine Assoziationen schweiften weiter: »Do steit jo ne Bonner« fiel mir ebenfalls recht bald ein. Als ich zu »Do es jo de Oma« kam, wusste ich, dass ich am Ziel war. Zumal ich direkt im Kopf hatte, den Song mit meinen Söhnen aufzunehmen. Kai, Ilja und René waren dann auch mit im Studio, und René singt sogar mit mir abwechselnd die Verse. Bleibt dann nur die Frage, wer von uns beiden Zucchero und wer Paul Young ist.
DECKE SCHRUVE, DÖNNE SCHRUVE, DÜBBELE FÜR ENZEMUURE
Ein Lied verlangt noch nach einer dritten Komponente jenseits von Melodie und Text. Und das ist die Stimme des Sängers. Instrumentierung und Worte können brillant sein, aber wenn der Interpret nicht dazu passt, geht das Lied kaputt. Als Sänger bin ich zugleich Ästhet. Ich möchte, dass sich der Text an die Musik möglichst harmonisch anschmiegt. Und das muss so für mich passen, dass ich mit meiner Stimme nichts zerstöre. Wenn ich einen neuen Song einstudiere, versuche ich, dazu eine Haltung zu entwickeln. Denn wenn ich nicht mit Überzeugung singe, kann ich auch den Geist dieses Liedes nicht glaubhaft transportieren.
Natürlich habe ich von Natur aus ein bisschen Glück gehabt. Mein Vater war Bassbariton. Ich dagegen verfüge über einen Bass, einen Bariton, und dann geht’s auch noch hoch zum Tenor. Wie mein Vater hatte ich nie Gesangsunterricht. Ich habe mir alles selbst beigebracht, weil ich mir einbilde, am besten zu wissen, was für mich und meine Stimme gut ist. In der Hinsicht hatte ich immer ein gesundes Selbstbewusstsein.
Andererseits würde ich nie ernsthaft Opern singen. Wenn ich in diese Gefilde vordringe, dann nur persiflierend. Ich habe ihn geschenkt bekommen, diesen Stimmumfang, und bilde mir eigentlich nicht viel darauf ein. Der eine kann eben gut schreiben oder malen, und der andere kann singen. Mehr ist das nicht. Manche Fans fragten mich zum Beispiel, wie ich mir diesen Stakkato-Text vom »Huusmeister Kaczmarek« draufgeschafft habe:
Decke Schruve, dönne Schruve, Dübbele für enzemuure,
Säjeblädder, Winkelieser, Bohrmaschine, Schleifmaschine,
Röllche für Jadingeschiene, Ratschekaste, Pinselquaste,
alles en d’r Werkzeuchkess.
Et jitt immer jet ze säje, jet ze bohre oder fräse,
lieme, näle oder Klingeldroht verläje,
Dachantenne amputiere, installiere,
Stromzählerkaste kontrolliere.
Hammer keine Hammer, jo wo hammer en dann,
hammer keine Hammer, dann nemme mer de Zang.
Hammer keine Hammer un finge mer kein Zang,
dann nemme mer su lang de Iesestang.
Hibbe di Hipp Hipp, de Hibbe di Hopp,
do schlage mer de Näl met d’r Stang op d’r Kopp.
Hobbe di Hopp Hopp, di Hobbe di Hipp.
Decke Schruve, dönne Schruve, Finsterkitt.
Natürlich ist das schwer zu singen. Aber auch wenn es jetzt schon eine Weile her ist, dass ich den Song das letzte Mal gesungen habe, kriege ich die Nummer noch jederzeit aus dem Stegreif zusammen. Und wenn da einer bewundernd den Kopf schüttelt,
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