Du bes Kölle: Autobiografie
hatte ich noch gedacht: »Oh Gott, wie sollen wir das jemals voll kriegen?« Da fuhr eine ganze Schwadron Bulldozer herum, um alles einzuebnen und vorzubereiten. Auch die Bühne erschien mir riesig. Aber mit der ersten Sitzung stellte sich heraus: Das Zelt ist voll und zugleich geräumig, hier hat jeder seinen Spaß. Und hinter der Bühne schloss sich ein kleineres Zelt für die Künstler an, mit einem Top-Catering selbstverständlich.
Vor allem das geordnete Chaos gefiel mir. Jürgen und ich waren zumeist schon gegen vier Uhr am Nachmittag vor Ort, um die notwendigen Änderungen für den Abend durchzusprechen. Auch unsere Laufwege zwischen Moderation, Gästebetreuung und eigenen Auftritten verlangten nach einer gewissen Logistik. Damals hatte ich mir gerade meinen ersten Computer besorgt, und in unserem Wohnmobil neben dem Zelt schrieben wir die Texte für den Abend.
Für Höhepunkte sorgten unter anderem zwei Politiker. Gregor Gysi trat in die Bütt und beging bereits mit seinem ersten Satz den entscheidenden Fehler: »Ich bin nicht der, für den Sie mich halten!« Damit war für das Publikum klar: Der Typ wird jetzt gelitscht, was das Zeug hält. 4.500 Leute pfiffen sich die Zunge aus dem Hals, genau wie beim ersten Auftritt unseres damaligen Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes. Aber der kannte sich immerhin besser mit der kölschen Litscherei aus, deshalb hatte er sich bei seinem zweiten Auftritt etwas überlegt. Kurz vor Ende der Show schickten wir den Hinweis ins Publikum, dass alle vorsichtig nach Hause fahren sollten. Wer nicht mehr nüchtern sei, möge die KVB nehmen, schlossen wir an. Und in dem Moment ging dann der Deckel dieser Mülltonne hoch, die relativ unbeachtet auf der Bühne gestanden hatte. Heraus kam der Antwerpes mit seiner Verkehrskelle und sprach mit drohendem Unterton: »Und ich warte auf euch!« Damit hatte er die Leute natürlich auf seiner Seite, denn so wollten sie ihn haben.
Derjenige, der den Sitzungsauftritten der Fööss jahrelang ferngeblieben war, moderierte nun plötzlich seine eigene, wenn auch alternative Karnevalssitzung. So kann es kommen, wobei ich sagen muss: So richtig viel mit Fastelovend hatte das alles dann doch nicht zu tun. Letztlich ist der Schnieke Prunz auch nur in diesem einen Jahr über die Bühne gegangen. Ob die Chose einfach eine Nummer zu groß für uns war, sei dahingestellt. Am Ende mussten sogar alle Künstler einen Teil ihrer Gage zurückgeben, weil die Kosten alle Planungen überstiegen hatten. Und das, obwohl die ARD uns die Primetime am Samstagabend freigeschaufelt hatte. Wichtig für mich ist jedoch, dass wir es überhaupt gewagt haben und es funktioniert hat. Hat sich gelohnt, war eine tolle Erfahrung. Und der Rest ist Geschichte.
BANDKOLLEGE, KOMPONIST, MANAGER UND FREUND
1997, im Jahr der Schnieke-Prunz-Sitzung, veröffentlichte ich auch meine erste Solosingle – ohne Black Fööss und ohne L.S.E.: »Viel Verkehr auf ’m Meer«. Die Platte war ausgesprochen erfolglos. Tommy Engel ist jetzt allein unterwegs und kommt ausgerechnet mit so einer Nummer raus? Das haben die Leute nicht begriffen. Dabei steckte eigentlich keinerlei Karriereplan dahinter, das Lied war einfach da! Außerdem verbindet es zwei Eckpfeiler miteinander, die für mein weiteres Leben wichtig werden sollten. Der eine ist das Thema, denn »Viel Verkehr auf ’m Meer« entstand auf einer Bootstour und handelt vom Bootfahren, zumindest vordergründig. Der Song hat etwas Dadaistisches und lehnt sich auch ein wenig an die Neue Deutsche Welle an. Andererseits verbreitet der Text eine düstere Endzeitstimmung. Damit habe ich durchaus ernsthaft meine damaligen Gefühle zum Ausdruck gebracht. Denn tatsächlich wusste ich nicht, wie es mit mir als Musiker weitergehen sollte. Der Auftritt bei der Trude-Herr-Revue hatte mir zwar einen Kick gegeben. Aber ob ich als Solosänger dauerhaft mein Publikum finden würde, stand in den Sternen. Wer also eine gewisse Angst vor dem Untergang aus diesem Song herausliest, liegt nicht ganz falsch.
Auch in der Realität entwickelte sich der Bootstrip, auf dem der Song entstanden ist, zeitweise zur Höllenfahrt. Als der Wind Stärke 7 erreichte, stand ich am Ruder dieser Blechbüchse, die wir damals gechartert hatten. Marlene jedoch lag längst überm Niedergang, während unser Mitfahrer kreidebleich vor Angst an Deck hockte. Und diesen Menschen meine ich dann auch mit dem zweiten wichtigen Eckpfeiler. Das war nämlich Jürgen Fritz, der bald
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